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Zerfetzte Flaggen

Zerfetzte Flaggen

Titel: Zerfetzte Flaggen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alexander Kent
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Deck und Segel im Nu überschwemmend. Er versuchte, die Hände vor dem Taubwerden zu bewahren, zitterte aber am ganzen Körper, teils vor Kälte, teils infolge des angespannten Wartens. Dieser Regen würde das Hellwerden noch weiter hinauszögern, und ohne Hilfe von außen hatten sie keinerlei Möglichkeit, die Leute zu finden, die sie gefangennehmen wollten. Die Küste bestand aus kleinen und größeren Buchten, Flußmündungen, Einfahrten zu winzigen oder auch größeren Häfen; hier konnte man ein Fahrzeug bis zur Größe eines Linienschiffes mühelos verbergen, wenn man in Kauf nahm, daß es bei Niedrigwasser trockenfiel.
    Aber das Land war schon zu sehen, es lag wie eine große schwarze Platte hinter der bewegten See. Allmählich würde es sich in kleine Buchten, Bäume, Hügel und dichtes Unterholz gliedern, das bisher nur Indianer oder wilde Tiere durchzogen hatten. Um dieses Dickicht herum, manchmal auch hindurch, manövrierten die beiden Armeen, schickten ihre Seouls aus und maßen sich gelegentlich in wilden Schlachten, die mit Muskete und Bajonett, Jagdmesser und Degen ausgefochten wurden.
    Was Seeleute auch erdulden mußten, ihr Leben war bei weitem besser, entschied Bolitho. Sie trugen ihr Heim jeweils mit sich, es lag an ihnen, was sie daraus machten.
    »Ein Boot hält auf uns zu, Sir!«
    Es war Balleine, eine Hand ans Ohr gelegt, was Bolitho an die letzten Augenblicke vor dem Entern des Schoners erinnerte.
    Zunächst sagte Sparke weder etwas, noch bewegte er sich, und Bolitho dachte schon, er habe nichts gehört. Dann zischte er: »Geben Sie die Parole aus: Vorsicht vor Verrat!«
    Als Balleine über Deck lief, um alle zu mobilisieren, sagte Sparke: »Ich höre es auch.«
    Es war ein gleichmäßiges Klatschen von Riemen, der laute und anstrengende Schlag gegen eine starke Strömung.
    Bolitho flüsterte: »Ein kleines Boot, Sir.«
    »Ja.«
    Das Boot kam mit überraschender Plötzlichkeit in Sicht, gegen des Schoners Bug wie ein Stück Treibholz. Es war ein kleines, starkes Ruderboot mit flachem Kiel, ein Dory, wie es von den Fischern hier in Tidengewässern benutzt wurde. Soweit zu erkennen, waren fünf Mann an Bord.
    Dann war es ebenso plötzlich verschwunden wie es aufgetaucht war, von der Strömung davongetragen, als sei es nur Einbildung gewesen.
    Frowd bemerkte: »Die wollen bestimmt nicht fischen, nicht zu dieser Tageszeit.«
    Überraschenderweise meinte Sparke beinahe jovial: »Sie wollten uns nur auf die Probe stellen, sehen, wer wir sind. Ein Schiff des Königs hätte sie mit Kartätschen verjagt, ebenso ein Schmuggler.
    Ich bin überzeugt, daß sie hier Tag und Nacht gewartet haben, und das seit Wochen, um ganz sicherzugehen.« Er zeigte grinsend die Zähne im schattigen Gesicht. »Die Burschen sollen etwas erleben, an das sie sich ihr ganzes Leben erinnern!«
    Die Parole wurde längs des Decks weitergegeben, und die Seeleute entspannten sich ein wenig; sie waren von Regen und Kälte ganz steif.
    Wolken fegten über den Himmel, mitunter gab ein Spalt die Farbe des nahenden Morgens frei, sonst sah man nur graues Wasser, das saftige Grün des Landes, weiße Schaumkämme und die Schlangenlinien einer starken auflandigen Strömung. Bolitho wußte aus den vergangenen zwei Jahren, daß hinter dem nächsten Kap, geschützt gegen die See, Städte, Siedlungen und einzelne Farmen lagen, die genug mit ihren eigenen Sorgen zu tun hatten und am Krieg keineswegs interessiert waren.
    Bolithos Begeisterung, wieder zur See zu fahren, der Tradition seiner Ahnen gemäß, war bald getrübt worden durch bittere Erfahrungen.
    Viele derer, gegen die er jetzt kämpfen mußte, stammten wie er aus dem Südwesten Englands, aus Kent, aus Newcastle oder den anderen Küstenstädten, aus Schottland oder aus Wales. Sie hatten dieses neue Land gewählt, viel riskiert und sich mühsam ein neues Leben aufgebaut. Andere in höheren Stellungen, tiefverwurzelte Loyalität oder noch tieferes Mißtrauen hatten dann den Bruch herbeigeführt, so plötzlich wie ein Axthieb.
    Die neue Revolutionsregierung hatte den König provoziert, das sollte ihm eigentlich genügen. Aber bei ruhiger Überlegung stieg oft der Wunsch in ihm hoch, daß die Menschen, gegen die er kämpfte, die er sterben sah, nicht in seiner Muttersprache, ja häufig in seinem eigenen Dialekt rufen oder schreien möchten.
    Ein paar Möwen umkreisten aufmerksam die unruhigen Masten und ließen sich dann willig vom Wind landeinwärts zu ergiebigeren Futterplätzen

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