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Zipfelklatscher

Zipfelklatscher

Titel: Zipfelklatscher Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heidi Hohner
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See springe. Das eiskalte Wasser pikst wie tausend Nadelstiche und wirkt besser als zehn Tassen Kaffee. Als ich mich abgeschreckt wie ein Frühstücksei wieder ins Boot ziehe, muss ich über mich selbst lachen. Es geht mir bestens. Alles ist gut. Ich weiß wieder, warum ich hier lebe, auf dieser Insel, auf diesem See. Weil mein Papa mich braucht. Und ich diesen See. Deshalb.
    Als ich eine Stunde später wieder in unseren kleinen Hafen hineingleite, sehe ich, dass ein Stück weiter Richtung Gstadt der Lechner Sepp seine Gummihosen bereits zum Trocknen aufgehängt hat. Ich bin wirklich verdammt spät dran heute Morgen, aber inzwischen ist mir das scheißegal.

»Mia ham mal wieder die Nacht zum Tag gemacht …«
    Mein Paps und Herbert Grönemeyer beschallen gemeinsam und mit einem erstaunlichen Gespür für meine körperliche Verfassung die Küche. Und obwohl ich beim Eintreten laut »Na, wie läuft’s?« frage, fährt Papa zusammen, als ich ihm die Hand auf die Schulter lege. Die dampfende Kartoffel, die er auf einer Gabel vor sich hinschwenkt, fällt ihm halb geschält in den Schoss.
    »Zefix!«
    Während mein Vater in die Höhe hüpft und an seinen Oberschenkeln herumklopft, drehe ich den Ghettoblaster mit dem Ruhrpottbarden ein wenig leiser und sehe mir die Bescherung in der Küche an. Die Wandverkleidung aus Edelstahl sieht aus, als wäre auf ihr ein Eimer Fassadenfarbe detoniert. Auf dem alten Tisch mit der verbeulten Zinkplatte türmen sich Plastikschüsseln, ein sahneverschmiertes Rührgerät und die Einzelteile eines zweistöckigen Henkelmanns. Irgendwie haut das gerade nicht hin mit der Arbeitsteilung, so wie wir sie mal ausgemacht haben: Mein Vater kümmert sich um die Küche und ich mich um die Fischerei. Und inzwischen auch ums Aufräumen. Denn mein Vater richtet jeden Morgen die Küche so zu, dass es ausschaut wie in einer Kreuzberger Männer-WG. Jedenfalls so, wie ich mir eine Kreuzberger Männer-WG vorstelle, weil ich nämlich noch nie in Berlin war und wahrscheinlich auch nicht so schnell hinkomme.
    Es riecht nach Fisch, eh klar, aber auch nach etwas Süßem, Fruchtigem. Das ist insofern verwunderlich, weil ich eigentlich ein obstfreies Leben führe. Ich würde nie in einen Apfel beißen, wenn ich auch ein Leberwurstbrot haben kann. Das habe ich von der Mama geerbt, die davon überzeugt war, dass Gummibärchen mindestens genauso viele Vitamine haben wie frisches Obst. Was meine Schwester und mich zu Pausenköniginnen machte: Die anderen Schüler standen da mit ihren Mandarinen und Äpfeln, und für uns gab es Fischsemmeln und Süßigkeiten. Umso mehr wundert es mich, dass mein Vater gerade mindestens zwei Pfund Erdbeeren halbiert hat. Und das genügt leider, um das seelische Gleichgewicht, in das mich der See geschaukelt hat, ins Wanken zu bringen.
    »Erdbeeren? Wer soll denn jetzt Erdbeerkuchen backen? Fisch! Fisch! Fisch! Fisch ist unser Geschäft!«
    Mein Vater sieht mich an, als wäre ich nicht ganz zurechnungsfähig, und wischt mit dem Ärmel meine Spucketröpfchen vom Tisch.
    »Was für einen Kuchen?«
    »Ja, Kuchen – oder willst du die Erdbeeren etwa selbst essen? Weißt du überhaupt, was die um die Jahreszeit kosten? Und wo hast du die überhaupt her? Warst du so …« – ich zeige auf seinen Schlafanzug – »… im Inselladen?«
    »Na ja. Ja mei.«
    Mein Vater sieht inzwischen immerhin etwas betreten aus, sodass ich mich etwas beruhige.
    »Aber immerhin hast du an den Kartoffelsalat gedacht.«
    »Kartoffelsalat?«
    Mein Vater guckt in den ziemlich kleinen Topf. Ich auch. Noch drei Kartoffeln sind darin, ungefähr fünf sind schon geschält. Viel zu wenig, um daraus sechzig Portionen Salat zu machen.
    »Die sind doch für den Kartoffelsalat, oder?«
    »Also wennst mich so direkt fragst …«
    Ich entdecke im bereitgestellten Henkelmann einen dicken Batzen Sauerrahm.
    »Wie? Die sind auch für dich? Erdbeeren, aber nicht für einen Kuchen. Kartoffeln und Schmand, aber nicht für unseren Salat. Was hattest du denn vor?«
    »Ich wollte noch mal zu die Fischerl schauen!«
    »Und dazu brauchst du ein solches Picknick?«
    Ich raufe mir die Haare (obwohl das überhaupt nicht nötig wäre – die sind quasi naturgerauft), setze mich dann aber vorsichtig neben meinen Vater und lege meine Hand auf seine. Ist ja gut, dass er ein neues Hobby hat.
    »Ich liefere jetzt die Fische aus – und du kochst einfach noch einmal Kartoffeln und backst dreißig Semmeln auf. Ja? Wir werden sonst nicht

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