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Zitronen im Mondschein

Zitronen im Mondschein

Titel: Zitronen im Mondschein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mayer Gina
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ein Geist von ihr Besitz ergriffen hätte und aus ihr spräche.« Mira lächelte müde.
    »Ja, aber es war kein Hokuspokus.«
    »Was denn sonst?«, meinte Mira. »Meinst du, es ist wirklich ein Gespenst in sie eingedrungen?«
    »Es war jedenfalls kein Hokuspokus«, sagte Gudrun noch einmal.
    »Was hat sie gesagt?«
    »Sie hat mich erst lange mit einem sehr seltsamen, furchtbaren Blick angesehen, und dann drehte sie sich weg und murmelte und brummelte etwas, das ich nicht verstand. Danachschaute sie mich wieder an und begann zu schreien. Wie eine Wahnsinnige war sie auf einmal. Du machst einen Fehler, schrie sie, merkst du denn nicht, dass du irregehst. Er führt dich ins Verderben. Er wird dich vernichten, mit Haut und Haaren. Verstehst du, Mira, es war nicht deine Mutter, die da mit mir geredet hat, es war jemand anderes, der aus ihr sprach. Wenn du nur dabei gewesen wärest!«
    Mira schlüpfte aus ihren Schuhen, zog die Füße aufs Bett und stützte das Kinn auf die Knie. Genau wie früher, merkte sie plötzlich. Genau so hatte sie sich damals hinter der Kiste auf dem Flickenteppich zusammengekauert, so dass man sie vom Tisch aus nicht sehen konnte. Auch sie konnte kaum etwas sehen, nur den Hinterkopf ihrer Mutter und eine ihrer Schultern. Manchmal reckte sie den Kopf, weil sie so neugierig war, weil sie so gerne wissen wollte, wie die Besucher aussahen, die auf der anderen Seite des Tisches saßen, aber sie erhaschte niemals mehr als eine Haarsträhne oder einen Hut. Sie sah nichts, doch sie hörte alles. Sie hörte die ängstlichen Fragen und die Antworten ihrer Mutter, sie hörte, wie sich ihre Stimme veränderte und tief und furchtbar wurde, wie sie Geheimnisse aus dem Jenseits enthüllte und in die Zukunft schaute, wie sie summte und sang und murmelte. Damals hatte Mira im Grunde schon geahnt, dass es nichts als leerer Zauber war, Humbug, Betrug. Aber die Besucher hatten ihrer Mutter vertraut. Jedenfalls erschien es Mira so. Vielleicht hatte sie sich das allerdings auch nur eingebildet, sie war ja noch so klein und dumm.
    Sie schüttelte den Kopf und riss sich aus der Erinnerung.
    »Ich verstehe gar nicht, was das soll«, meinte sie zu Gudrun. »Wer führt dich ins Verderben? Wer wird dich vernichten? Was meinte sie denn damit?«
    Gudrun schluckte. Ihre Hände lagen um das Apfelmostglas und drehten es hin und her, hin und her, als wären sie und das Glas miteinander verbunden wie eine Maschine.
    »Ich habe jemanden kennengelernt«, sagte sie dann.
     
    Mira schenkte noch einmal Apfelmost nach, erst sich und dann Gudrun, obwohl ihre Freundin ihr Glas bisher kaum angerührt hatte. Sie wollte, dass die mechanische Dreherei aufhörte, es machte sie ganz nervös, aber kaum hatte sie den Krug weggezogen, als Gudruns Hände die Bewegung auch schon wieder aufnahmen.
    »Aha«, sagte Mira. »Da liegt also der Hase im Pfeffer. Ein Mann.«
    »Nein«, erwiderte Gudrun. »Es ist nicht so, wie du denkst.«
    »Was denke ich denn?«
    »Es ist keine Affäre. Herr Pressmann ist auch schon alt und verheiratet.«
    »Wie bitte? Wovon redest du eigentlich? Nun erzähl doch alles einmal der Reihe nach, du bringst mich ja vollkommen durcheinander.«
    Gudrun nickte, drehte ihr Glas und nickte wieder. »Ich kenne ihn über seine Frau. Frau Pressmann ist … sie war eine meiner Stammkundinnen bei Tietz. Also, meistens kam das Dienstmädchen, aber ein paar Male hat Frau Pressmann sie begleitet, und einmal kam auch Herr Pressmann mit. Während seine Frau die Stoffe aussuchte, gerieten wir ins Gespräch. Und danach kam er immer öfter mit, auch allein, aber es ist nicht so …«
    »… wie ich denke«, beendete Mira den Satz und seufzte. »Hat er dich auch ausgeführt?«
    »Sie haben mich zum Essen eingeladen.«
    »Aber seine Frau hatte zufällig keine Zeit, also wart ihr alleine miteinander.«
    »Nein«, sagte Gudrun empört. »Seine Frau war natürlich dabei. Was denkst du von mir!«
    »Und er will dir nun deinen Laden finanzieren. Einfach so. Aus reiner Nächstenliebe.«
    »Es ist ein Geschäft. Wir machen einen Vertrag, er übergibt mir das Geld sozusagen als Kredit, und ich zahle es ihm Monat für Monat aus meinen Gewinnen zurück.«
    »Und wenn du keine Gewinne machst?«
    »Dann werde ich den Salon irgendwann wieder schließen müssen«, meinte Gudrun. »So ist das mit jedem Unternehmen.«
    »Was will er sonst noch dafür? Kein Mensch gibt sein Geld einfach ohne Gegenleistung her, er erwartet sich doch etwas.«
    »Aber nein! Es steckt

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