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ZITRONENLIMONADE (German Edition)

ZITRONENLIMONADE (German Edition)

Titel: ZITRONENLIMONADE (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marleen Reichenberg
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Auswirkungen, so lernte ich durch Zuhören,
sind bei Blutung und Gefäßverschluss dieselben: Es sterben Gehirnzellen ab, die
entweder die Bewegungsfähigkeit, die Sprache, die Koordination, gefühlsmäßige
Reaktionen oder das Gedächtnis steuern.
    „ Der Grad der Behinderung hängt davon
ab, welche und wie viel Zellen abgestorben sind und - Gehirnzellen sowie
Rückenmarkszellen können sich nicht wieder regenerieren“, beendete der
oberschlaue Doktor seinen Monolog. Bei dir sind auch einige Zellen abgestorben
oder haben sich gar nicht erst entwickelt, giftete ich unhörbar. Dir werde ich
es zeigen, wie sich meine Gehirnzellen wieder erholen! Ich hatte diesen Arzt
Grünschnabel getauft, auch wenn er immer tat, als habe er die Weisheit mit
Löffeln gefressen
     
    Allmählich entwickelte ich gegen den
Kerl einen regelrechten Hass, da er sich nie die Mühe machte, direkt mit mir zu
sprechen. Wahrscheinlich ging er davon aus, bei mir seien so viele Zellen
hinüber gegangen, dass sich eine nähere Beschäftigung mit meiner Wenigkeit
nicht lohnte. War er bei der Visite dabei, verhielt er sich seinen Chefs
gegenüber total kriecherisch und schleimte in sie hinein. Dem Pflegepersonal
gegenüber aber, und auch – so vermutete ich -   bei allen seinen Patienten hängte er den
allwissenden Vorgesetzten raus. Er erinnerte mich stark an unseren Streber
Edgar   in der Abiturklasse, schütteres
Haar, milchgesichtig, bebrillt, unsportliche magere Figur mit Spitzbäuchlein
und Hängeschultern sowie einem unerschütterlichen Selbstbewusstsein gesegnet,
wenn es um sein Fachwissen ging. Er sprach nicht über Medizin, sondern dozierte
darüber. Gerade so, als würde er aus einem Lehrbuch vorlesen. Eines Nachts
wollte mir die diensthabende Schwester, eine ganz liebe mütterliche Frau namens
Selina, etwas Gutes tun. Sie betrat mein Zimmer und erkannte im Schein des gedämpften
Nachtlichtes, dass meine Augen halb offen standen.
    „ Ja, Frau Salten, sie sind ja wach.
Haben sie Schmerzen und können deswegen nicht einschlafen?“ Sie war einer
meiner Lieblingsschwestern, weil sie immer mit mir direkt sprach und sich auch
bemühte, meine Wünsche zu erraten.
    „ Soll ich ihnen wieder eine Lani-Spritze
geben, damit Sie Ruhe haben? Zwinkern Sie einmal für Ja oder zweimal für Nein,
wenn Sie das fertigbringen.“ Sie war die erste Krankenschwester, die sich bis
dahin die Mühe machte, auf mich einzugehen.
    Da ich dieses Lanidulor reduzieren
wollte und der Schmerz momentan erträglich war, schloss ich zweimal kurz
hintereinander die Augen. Sie zögerte: „War das jetzt ein Nein?“ Ich schloss
die Augen einmal für Ja. Selina strahlte.
    " Prima Frau Salten! Sie klingeln
einfach, wenn Sie etwas brauchen, ja?"   Wieder klappte ich meine Augendeckel einmal zu. In diesem Moment
erschien die schmächtige Silhouette von Dr. Grüne im erleuchteten Türrahmen.
      „ Schwester Selina, ich brauche Sie in Zimmer
Zwei! “ näselte er gebieterisch. Selina drehte sich zu ihm um.
      „Ich komme sofort, Herr   Dr. Grüne. Stellen Sie sich vor, Frau Salten
will ganz bewusst augenblicklich kein Lanidulor mehr haben. Vermutlich spürt
sie Nebenwirkungen, vielleicht Halluzinationen (Ha, da hatten wir den Beweis,
dass ich nicht verrückt wurde), die ja nicht ganz unbeträchtlich sein können
bei dieser Dosis. Ist das nicht ein guter Fortschritt?“
    Fand mein persönlicher Freund leider
nicht. Er trat näher und warf einen prüfenden Blick auf mein Krankenblatt und
meinen Monitor. Mich übersah er wie immer geflissentlich, obwohl er weniger als
einen Meter von meinem Kopf entfernt stand.
      Wichtigtuerisch
faltete er seine knochigen Hände vor seinem kleinen Spitzbauch. Ich musste
innerlich grinsen, als ich sah, dass er – vermutlich weil er Bereitschaft hatte
- einen kurzen weißen Bademantel, akkurat über dem Bauchnabel geknotet trug.
Unvorteilhaft, dachte ich, der Knoten betont seinen hervorstehenden Waschbär-
Bauch!   Aber bei seinen Worten verging
mir mein Anflug von Häme schnell.
      „" Geben Sie ihr die Spritze, Schwester
und hören Sie sofort auf, in Gegenwart von Patienten über medikamentöse
Nebenwirkungen zu reden. Die sind ohnehin minimal und deshalb zu
vernachlässigen. Sie braucht dieses Mittel. Sehen Sie denn nicht, dass sie   nicht in der Lage ist, das selbst zu
beurteilen? Sie ist doch gar nicht ansprechbar.“
    Empört schrie ich innerlich auf. Dieses
A…….h! Ich hätte ihn durch Sonne, Mond und Sterne schießen mögen,

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