Zons 03 - Kalter Zwilling
Münze nicht alt und abgenutzt, sondern neu und schlecht geprägt ist?« Bastians Gedanken ratterten. Er hatte den buckligen Gilig mit einem Säckchen Münzen an der Stadtmauer erwischt und der ermordete Schmied, Matthias Honrath, hatte diesen falschen Goldgulden dabei. Eine Stimme in Bastians Inneren meldete sich zu Wort: »Und das Leinentuch, in welchem die Goldmünze versteckt war, war voll von schwarzem Ruß.«
»Es muss hier noch weitere Münzen geben. Wernhart, hast du dort hinten in der Ecke nachgeschaut?«
Wernhart hatte jeden Zentimeter der Schmiede durchsucht. Er zuckte mit den Schultern. »Hier gibt es keine Münzen.«
Bastian schüttelte den Kopf. »Nein, wenn Pfarrer Johannes recht hat und dieser Gulden eine Fälschung ist, muss es noch andere Münzen geben.« Bastian sprang auf. »Ich weiß, was wir als Nächstes tun. Wir statten dem buckligen Gilig einen Besuch ab und diesmal kommt er nicht so einfach davon!«
...
»Ist das dein Ernst?« Christan konnte es nicht glauben. August hielt ein flauschiges Wollknäuel in den Armen. Der Welpe leckte inbrünstig seinen Hals und August kicherte. Er konnte es selbst kaum glauben, aber er mochte diesen kleinen Köter. Er wollte Christan eine Freude bereiten, deshalb hatte er den Welpen besorgt. Gut, er war der Einzige aus dem ganzen Wurf, der überlebt hatte, aber das musste Christan ja nicht wissen. Einen Besitzer hatte dieser Welpe auch nicht mehr. Niemand konnte den Diebstahl anzeigen. August hatte alles ganz genau geplant. Amüsiert beobachtete er seinen Zwillingsbruder, wie dieser mit großen Augen den winzigen Rüden in die Arme nahm. August wusste, dass sie beide sich so wenig ähnelten wie Tag und Nacht. Trotzdem war Christan sein Bruder und manchmal konnte er fühlen, dass er ihn liebte. Zumindest war Christan von seinem Blut. Dies alleine genügte, um ihn zu schonen.
August würde niemals seinen Blutrausch an ihm auslassen. So nannte er das Gefühl, welches ihn beschlich, wenn er töten musste. Es war der Fluch. Eine alte Frau aus Stürzelberg hatte August davon erzählt. Seine Mutter war verflucht worden und ihn hatte es getroffen. Er war der kalte Zwilling, in dessen Inneren das Böse gedieh. Während Christan voller Liebe war, konnte er nichts als Leere empfinden. Das Einzige, was ihm Befriedigung verschaffte, war Macht. Er bewunderte Bastian Mühlenberg mit seinem breiten Schwert. Niemand stellte sich ihm in den Weg. Er war groß und kräftig. Er besaß Macht in Zons. Auch Pfarrer Johannes war ein mächtiger Mann. Mit seinen Predigten zog er die Menschen in seinen Bann. Dies war eine andere Art von Macht, aber dafür eine sehr wirkungsvolle. Nun, und dann gab es eine weitere Macht, die über Leben und Tod. Ein Dieb und Nichtsnutz von der anderen Rheinseite hatte ihn gelehrt, wie man diese Macht ausüben konnte. Als er erwischt und gehängt wurde, war August gerade einmal neun Jahre alt gewesen. Nie würde er die Erregung vergessen, die er gespürt hatte, als das Leben aus dem Körper des Mannes wich. Wie das Licht in seinen Augen erlosch, während der Körper immer noch verzweifelt zuckte und nach Luft schnappte. Der Henker entschied, ob das Opfer starb oder überlebte. Nicht selten wurde ein Taugenichts ohne gebrochenes Genick vom Galgen geschnitten, um am nächsten Tag wieder unter den Lebenden zu weilen.
Außer seinem Zwillingsbruder kannte niemand seine wahre Natur. August besaß die seltene Gabe, sich vollkommen an die Umwelt anzupassen. Selbst Martha, seine Tante und Stiefmutter, hielt ihn für einen wohlgeratenen Burschen. Obwohl sie den Fluch genau kannte, konnte August sie glauben machen, dass er genauso gutherzig war wie sein Zwillingsbruder Christan.
Der Welpe bellte. Ein erstaunlich tiefes »Wuff« ertönte aus dem schmalen Körper. August betrachtete ihn interessiert. Der Kleine hatte Überlebenswillen bewiesen. Deshalb hatte er entschieden, ihn nicht zu töten.
Wieder sah er die finstere Nacht vor sich. Stundenlang hatte er vor dem Haus der alten Witwe gelauert. Er hatte so lange gewartet, bis sie sich auf das ärmliche Strohlager niederließ, welches sie notdürftig errichtet hatte. Die dumme Gans fühlte sich sicher in der zerfallenen und verlassenen Bauernhütte, doch sie irrte sich.
August selbst hatte dem Bettelweib diesen Unterschlupf empfohlen. Wie dankbar sie ihm gewesen war. Er grinste. Es bereitete ihm Vergnügen, das Schicksal von Menschen zu bestimmen. Er hatte kein Mitleid mit ihr. Sie führte ein
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