Zorn - Vom Lieben und Sterben: Thriller (German Edition)
mir den Grund deiner Verwunderung mitteilen?«
»Wir haben einen Leichenfund im Stadtwald.«
»Ach!«
»Ein Mountainbiker. Er wurde geköpft, jedenfalls fast.«
Eine Weile saßen sie stumm nebeneinander.
»Oha«, sagte Zorn dann und beschleunigte.
*
»Sie klang ziemlich wütend, Chef.«
Sie standen vor dem Büro der Staatsanwältin. Zorn zuckte die Achseln, klopfte kurz und trat ein, Schröder folgte ihm. Frieda Borck saß hinter ihrem Schreibtisch und studierte eine Akte.
»Nehmen Sie Platz«, sagte sie, ohne den Blick zu heben.
Zorn und Schröder setzten sich auf zwei Besucherstühle, die direkt vor ihrem Schreibtisch standen. Die Staatsanwältin machte keinerlei Anstalten, das Gespräch zu eröffnen, sondern studierte weiter ihre Papiere und kaute dabei konzentriert auf der Unterlippe. Das Haar hatte sie zu einem lockeren Zopf zurückgebunden, Zorn beobachtete fasziniert eine Ader, die oberhalb ihres Schlüsselbeins langsam pulsierte, und vertrieb sich die Zeit, indem er die Schläge mitzählte. Als er bei zwanzig war, wurde ihm langweilig, und er begann, mit den Fingern auf der Stuhllehne mitzutrommeln.
»Würden Sie das bitte lassen«, murmelte sie, noch immer mit ihrer Akte beschäftigt.
Zorn brummte eine Entschuldigung und verschränkte die Beine übereinander. Lass dir nur Zeit, dachte er. Ich liebe es, wie ein Volltrottel behandelt zu werden.
Eine weitere Minute verging. Zorn beschloss, in die Offensive zu gehen: »Ich störe Sie ungern bei Ihrer Lektüre, Frau Staatsanwältin. Aber meines Wissens wurde heute Morgen eine Leiche gefunden, und ich denke, wir sollten schnellstens mit den Ermittlungen beginnen, anstatt hier herumzusitzen. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich sehe Ihnen gern beim Lesen zu, aber meiner Meinung nach vergeuden wir so unsere Zeit.«
Es gab einen leisen Knall, als Frieda Borck ihre Akte zuschlug. Sie lehnte sich in ihrem Sessel zurück, nickte Schröder zu und wandte sich dann an Zorn: »Gut, dass Sie das ansprechen, Herr Hauptkommissar. Ich wurde heute Morgen um sieben Uhr fünfzehn über den Fund unterrichtet. Seit dieser Zeit versuche ich vergeblich, Sie zu erreichen, das wären dann«, sie sah auf ihre Armbanduhr, »genau zwei Stunden, die wir bisher verloren haben.«
Scheiße, dachte Zorn und sagte: »Mein Handy liegt zu Hause, ich hab’s vergessen. Ich denke, das kann mal vorkommen.«
»Natürlich, Herr Hauptkommissar. Aber nicht, wenn wir einen Mordfall haben.«
Himmelherrgott, bin ich Hellseher?, dachte Zorn wütend und sagte: »Immerhin haben Sie Schröder erreicht, oder nicht?«
Der Tonfall der Staatsanwältin wurde schärfer. »Es geht nicht um ihn, sondern um Sie , Kollege Zorn. Genauer gesagt, um Ihre Arbeitseinstellung. Er«, sie wies mit dem Kinn auf Schröder, der kerzengerade auf seinem Stuhl saß, »wird noch geschont, schließlich ist er in der Rekonvaleszenz.«
Während Zorn fieberhaft überlegte, was dieses Wort zu bedeuten hatte, warf Schröder ein: »Falls das jemanden interessiert: Ich bin vollständig arbeitsfähig.«
Frieda Borck beachtete ihn nicht.
»Ich möchte, dass Sie zuerst die Identität der Leiche herausfinden.«
»Da wär ich von allein nicht drauf gekommen«, knurrte Zorn leise.
»Wie bitte?«
Zorn schüttelte genervt den Kopf und schwieg.
»Der Tote ist ziemlich jung, wahrscheinlich ein Teenager«, fuhr die Staatsanwältin fort. »Die Fingerabdrücke werden bereits geprüft. Sie sollten sich zuerst das Fahrrad vornehmen. Ein relativ seltenes Modell, sagt die Spurensicherung.«
»Wer hat die Leiche gefunden?«
»Ein Jogger.«
»Wie originell«, entfuhr es Zorn.
Frieda Borck straffte unmerklich den Rücken. »Sie werden es nicht glauben«, blaffte sie, »auch im wirklichen Leben kommt es vor, dass ein Jogger eine Leiche findet. Wir drehen hier keinen Krimi, Herr Zorn!«
»Danke für den Hinweis, ich werd’s mir merken.«
»Das hoffe ich. Und es wäre nett, wenn Sie diese alberne Sonnenbrille wenigstens im Präsidium abnehmen würden. Was glauben Sie, wo wir hier sind? Bei CSI Miami ?«
»Ich hab eine Bindehautentzündung«, erwiderte Zorn, schob die Brille zurecht und hoffte, dass sie ihm seine Verunsicherung nicht ansah. Immerhin war das die dritte Lüge innerhalb einer Stunde.
Frieda Borck lächelte. »Wie tapfer, dass Sie sich nicht krankschreiben lassen, Herr Hauptkommissar.« Der Sarkasmus war nicht zu überhören.
Unwillkürlich wanderte Zorns Blick durch das kleine Büro, auf der Suche nach einem schweren
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