Zorn
kleinen Ladens etwas Helles aufblitzen sah, vermutete er, dass gerade jemand durch die hintere Tür flüchtete. Er rannte los, zwischen den fahrenden Autos auf dem Highway hindurch, so dass ein Fahrer ihm ausweichen und ein anderer abrupt bremsen musste. Del brüllte: »Hey!«, doch Lucas war schon auf der anderen Seite.
Del und Jenkins schafften es mit Verzögerung ebenfalls, den Highway zu überqueren, und befanden sich etwa fünfzig Meter hinter Lucas, der links an dem Laden vorbeilief und das kleine schäbige Haus dahinter sowie den dicken schwarzhaarigen Mann sah, der darauf zurannte. Lucas wandte sich halb um, winkte Jenkins und Del heran, rief: »Hier lang!« und hastete weiter.
Hanson trat unterdessen die halb geschlossene Tür eines Hurrikanzauns auf, lief über eine Terrasse aus Ytong-Steinen, drehte sich kurz um, entdeckte Lucas nur noch fünfundzwanzig bis dreißig Meter von ihm entfernt, riss die Fliegengittertür auf und stürmte ins Haus.
In der Küche stand eine Frau, die aufschrie, vor ihm zurückwich und ihm ein Handtuch entgegenschleuderte, dem er auswich. Er packte mit einer Hand ein Messer, das auf der Arbeitsfläche lag, und mit der anderen die Haare der Frau, die sich kreischend wand, als Lucas hinter ihnen durch die Tür hereinstürzte.
Hanson versuchte, etwas zu rufen – »Ich bring sie um« oder »Ich hab ein Messer« –, doch die Zeit ließ Lucas ihm nicht, der über die Couch sprang und gegen Hansons linke Seite krachte, so dass der dicke Mann gegen die Wand geschleudert wurde. Als er mit dem Messer nach Lucas’ Gesicht ausholte, machte sich die Frau los und sank taumelnd zu Boden. Lucas wollte Hansons Hand mit dem Messer erwischen, griff daneben, spürte, wie die Klinge seine Schulter und seinen Nacken traf. Er drehte sich von der Waffe weg, geriet aus dem Gleichgewicht und stürzte so, dass Hanson ihm entglitt. Dann plötzlich ein Knall.
Der Schuss kam ihm vor wie ein Blitzschlag. Noch ein Knall, und Lucas stolperte über die am Boden liegende Frau, versuchte, sie von Hanson wegzuziehen, bis er merkte, dass Hanson in sich zusammensackte.
»Bleib unten …«, sagte Jenkins und drückte Lucas mit der Hand hinunter.
Die Frau kreischte.
»… sofort einen Notarztwagen zum Pit Stop. Wir haben hier einen schwerverletzten Polizeibeamten …« Del sah Lucas an.
»Ich bin nicht schwerverletzt«, widersprach Lucas.
»Möglich, aber du blutest stark. Also bleib unten«, ermahnte Jenkins ihn.
Del baute sich vor ihm auf: »Blödmann.«
»Was ist mit Hanson?«, fragte Lucas.
Jenkins warf einen Blick auf Hanson. Jetzt erst fiel Lucas auf, dass er seine Waffe in der Hand hielt, einen großen .357er Revolver, den er einem Highway Patrolman abgekauft hatte.
»Du hast gekriegt, was du wolltest«, antwortete Jenkins. »Er ist tot.«
FÜNFUNDZWANZIG
»Lass mal sehen«, sagte Del zu Lucas.
Lucas zeigte ihm die Verletzung. Del wischte Lucas mit einem Papiertaschentuch das Blut von der Stirn und begutachtete seine Schulter durch den Schlitz in Lucas’ Jacke. »So schlimm ist es tatsächlich nicht. Du hast einen üblen Schnitt direkt am Haaransatz, aber der geht nicht bis zum Knochen. Allerdings blutet die Wunde ziemlich stark. An der Schulter ist ein zweiter Schnitt, da hat die Jacke das Schlimmste verhindert. Du musst die Wunden nähen lassen.«
Sie pressten weitere Papiertücher auf die Wunde, um die Blutung zu stillen. Lucas blieb auf dem Boden liegen, bis der Notarzt kam. Zwei Minuten nach der Schießerei erschienen die Deputys des Sheriffs von Carver County, und Jenkins erklärte ihnen alles. Dann trafen die Sanitäter ein, die Lucas zum Wagen brachten. Beim Verlassen des Hauses stieg er über die mit dem Gesicht nach unten liegende Leiche von Hanson. Die Frau war unverletzt, stand jedoch unter Schock, und wurde mit Lucas zur Ambulanz hinausgeführt.
Im Krankenhaus warteten sie auf einen Arzt, der nach etwa fünfzehn Minuten zu ihnen kam, die Schnitte begutachtete und feststellte: »Nicht so schlimm, aber der Heilungsprozess wird unangenehm. Ich versorge die Wunden erst mal.«
Er nähte die Schnitte mit lokaler Betäubung und einem intravenös verabreichten Beruhigungsmittel. Davor rief Lucas Weather an, die gerade in die Arbeit wollte, und erzählte ihr, dass er in einer Prügelei verletzt worden sei und genäht werden müsse. Als sie um mehr Details bat, reichte er den Hörer dem Arzt, der kurz darauf sagte: »Ich kenne Sie.« Er erklärte Weather die Sachlage, teilte ihr mit,
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