Zuchthengst zu verkaufen
keinesfalls verärgern. Nur dank seiner Professionalität war es möglich, dass Scott sich nicht täglich selbst um seine Pferdezucht kümmern musste.
Die Sache war schliesslich geritzt, am darauffolgenden Tag würde sein Bruder Grant mit ihrem besten Stallburschen herfliegen.
„Sie sollen doch bitte zusätzlich drei Sättel mitbringen und wenn’s geht auch das notwendige Werkzeug. Hier fehlt es an allem. Ach und noch etwas – eine Ladung von unserem Whisky wäre auch nicht Fehl am Platz. Das Gesöff, das es hier zu kaufen gibt, ist bloss zum Wäsche waschen geeignet.“
Lachend beendete Ewan das Ferngespräch.
***
Frühmorgens machte sich Scott wieder auf zum Wasserloch. Als er alle Tiere gefüttert und getränkt hatte, schrubbte er einen grossen Metallzuber und stellte ihn anschliessend auf die Veranda. Dann füllte er ihn bis zur Hälfte mit kaltem Wasser und trug zwei gefüllte Plastikbehälter in die Küche. Kate war nirgends zu sehen. Na klar, die Prinzessin schlief natürlich aus. Während er schon drei Stunden geschuftet hatte, drehte sie sich offensichtlich nochmals wohlig im warmen Bett um. Ungehalten rief er nach ihr und fand seine Befürchtungen bestätigt, als sie kurz darauf völlig verschlafen in der Küche auftauchte.
„Ich habe Dir hier Wasser vom See gebracht. Du kannst es aufwärmen. Draussen steht ein grosser Zuber, dort kannst Du dann die Wäsche waschen.“
Scott wartete ihre Antwort gar nicht erst ab sondern stakste wütend zurück an die Arbeit im Stall.
***
Oh Gott, was sollte sie bloss tun? Hätte sie den Rat des Anwalts nicht besser befolgen und das Anwesen verkaufen sollen? Graham hatte sie über ihre Situation in New York informiert und sie danach während ihrem zwölfmonatigen Spitalaufenthalt regelmässig besucht. Sie waren im Verlaufe dieser Zeit zu guten Freunden geworden. Aber er war ausschliesslich für das neue Testament ihres Grossonkels zuständig. Der Anwalt ihres Grossonkels war ein älterer untersetzter Kettenraucher mit gelben Fingernägeln und einer unangenehmen Körperausdünstung, der seine Praxis ganz in der Nähe hatte. Dieser Mann war es gewesen, der ihr widerwillig den Hausschlüssel in die Hand gedrückt und sie darüber informiert hatte, dass sie das Anwesen besser verkaufen sollte, weil sie von Pferden keinen blassen Schimmer hatte. Praktischerweise hatte er bereits einen Käufer, der ihr die ganze Verantwortung sofort abnehmen könnte.
Als sie nicht sofort auf seinen väterlichen Vorschlag einging, machte er sie darüber aufmerksam, dass ihr wahrscheinlich gar keine andere Wahl bliebe, weil sie sich die Ranch finanziell nicht mehr leisten könne – ihre monströsen Spitalkosten hätten das gesamte Vermögen aufgebraucht. Es hatte fast so geklungen, als sei sie Schuld, dass die Spitalkosten so hoch ausgefallen waren. Aber was hätte sie auch machen sollen? Lange hatte es ausgesehen, als ob sie nie wieder gehen könnte. Dank drei weiteren Operationen und einem strengen Therapieplan unter fachkundiger Anleitung, konnte sie nun sogar ohne sichtbares Hinken gehen – meistens jedenfalls. Das alleine war jedes Opfer wert. Wenn sie dann allerdings an die hungrigen Pferde dachte, schien ihr kurz die Luft wegzubleiben.
Irgendetwas hatte sie davon abgehalten, sofort auf den Vorschlag des Anwalts einzugehen. Wie konnte sie auch den Besitz ihrer Vorfahren einfach so verscherbeln ohne ihn sich wenigsten vorher angesehen zu haben? Was sie schliesslich vorfand, war ein einziges Bild der Zerstörung und des Elends. Wie hätte sie nach dem kümmerlichen Anblick der Pferde ihre Verantwortung abgeben können? Spätestens nachdem Scott ihr bestätigt hatte, dass der Tod das gnädigste Urteil für die Tiere wäre, sah sie sich in ihrer Entscheidung bestärkt, dass sie die Ranch nicht verkaufen würde. Die erste Handlung des neuen Besitzers wäre ein Erschiessungskommando und das konnte sie auf keinen Fall zulassen.
Ein Glück, dass der ansonsten nicht besonders hilfsbereite Anwalt ihr wenigstens die Adresse des Stellenvermittlungsbüros gegeben hatte. Wenn Scott gestern nicht aufgetaucht wäre, hätten vielleicht nicht alle Pferde die Nacht überlebt. Er war tatsächlich wie ein rettender Engel im Moment grösster Not erschienen.
Die Morgentoilette hätte sie sich eigentlich sparen können. Obwohl ihre Haare recht kurz waren, schaffte sie es nicht, mit dem Kamm die verklebten Strähnen zu entwirren. Also fuhr sie sich kurz mit einem feuchten T-Shirt
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