Zuckerguss und Liebeslieder Roman
nichts geht?«
Ich bin mir nicht ganz sicher, was ich ihrer Meinung nach deswegen unternehmen soll. Und jetzt, wo ich weiß, dass Graham weg ist, ist es mir eigentlich auch ziemlich egal. Aber wie sich herausstellt, ist keine Antwort vonnöten. Phoebe hat sich in Schwung geredet. »Deshalb werde ich hierbleiben - um im Londoner Büro die Geschäftsführung zu übernehmen. Brent agiert als mein Stellvertreter. Wir werden einen Berg neuer Ideen umsetzen.«
»Einen Berg neuer Ideen«, wiederholt Brent.
Phoebe braucht elend lange, um mich zu feuern. Vielleicht soll ich ja Brents Assistentin werden - Arbeitsantritt morgen früh um sechs.
»Allerdings stehen wir weiter in der Pflicht, unsere Tätigkeiten mit der Zentrale in den USA zu koordinieren.« Phoebe legt eine Pause ein, offenbar um mir Zeit zu gewähren, alles zu verdauen.
»An der Fifth Avenue«, merke ich hilfsbereit an, bis mir - zu spät - aufgeht, dass man ihr das nicht extra sagen muss.
Aber sie beachtet mich sowieso nicht weiter. »Und insofern sind wir auf der Suche nach einem Ersatz für Brent in unserem US-Team.«
»Graham hat Sie vorgeschlagen«, sagt Brent.
Es dauert einen Moment, aber dann wirbelt in meinem Kopf alles durcheinander.
New York! Ich war noch nie in New York - aus dem
simplen Grund, dass man ein Flugzeug besteigen muss, um dahinzukommen. Aber ich bin ein Riesenfan von NYPD Blue , dieser New Yorker Polizeiserie, und kenne mich deshalb bestens aus: Fußgängerampeln, auf denen »Don’t Walk« steht, Reuben-Sandwichs und diese gelben Dinger, die Wasser quer über die Straße speien.
Aber wie soll ich dahinkommen? Fliegen ist ausgeschlossen.
Phoebe redet schon wieder weiter. »Der ausgewählte Kandidat wird, vom Stützpunkt New York aus, insbesondere für den Aufbau neuer Karrieren zuständig sein.«
Ich könnte mit dem Schiff fahren!
»Unserer Ansicht nach gibt es in der Musikbranche eine Reihe nichtproduktiver Künstler, die reaktiviert werden könnten. Wir brauchen jemanden mit einem frischen Blick für die Backlist.«
Und Stephen könnte auch ein Schiff nehmen und mich besuchen kommen!
»Zum Beispiel Wyatt Brown. Er ist noch bis Ende des Jahres unter Vertrag, und uns ist sehr daran gelegen, diese knappe Chance gewinnbringend zu nutzen.«
Dr. Vaizey hat der Gruppe immer gepredigt, man solle im Hier und Jetzt leben - »Ihre Fantasie ist es, die Sie in Schwierigkeiten bringt, Alice«, pflegte er streng zu sagen -, aber diese Fantasien hier sind einfach toll, deshalb höre ich nur mit halbem Ohr hin, während Phoebe weiter über die Backlist labert. Ich werde ein kleines, aber feines Appartement in der Upper West Side haben, wo immer das sein mag, außer es ist schicker, in diesem Viertel namens Tribeca zu wohnen. Ja, definitiv Tribeca. Und mein Mittagessen hole ich mir jeden Tag bei dem Delikatessenladen am Eck, wo Robert De Niro Stammkunde ist.
Ich zwinge mich zur Aufmerksamkeit, als Phoebe abliest: »Wir sind auch der Meinung, dass man die Raptors dazu bewegen könnte, sich wieder zusammenzuschließen.«
Ich sehe schon meine neue Garderobe vor mir - lauter Kostüme à la Jackie O. Die verhuschten Praktikantinnen werden mich samt und sonders vergöttern. Nach einem Weilchen wird sich herumsprechen, dass es freitagabends bei mir immer Fish and Chips gibt - die heißeste Einladung in ganz Manhattan.
»Reizt Sie das, Alice?«, fragte Phoebe schließlich. »Haben Sie irgendwelche Fragen?«
Ich würde sie gern fragen, was eigentlich in einem Reuben-Sandwich drin ist. Stattdessen erwidere ich: »Wann würde es losgehen?«
»Nächste Woche«, sagt Phoebe. »Wir möchten das Ganze schnellstmöglich unter Dach und Fach haben.« Sie tauscht einen erfreuten Blick mit Brent. Mir wird klar, dass ich soeben - wie die Jungfrau zum Kind - zu einem Job am anderen Ende der Welt gekommen bin. »Gut. Graham hat schon gesagt, dass wir uns auf Sie verlassen könnten.«
4. KAPITEL
Der restliche Tag rauscht an mir vorbei. Phoebe bringt ihn damit zu, »ihre neue Belegschaft« kennenzulernen. Brent hingegen postiert sich neben meinem Bürocomputer und macht sich Notizen zu unserer Machtübergabe. Er hat nicht den geringsten Sinn für Ironie. Eben habe ich ihm gezeigt, wie man die Tabelle mit den wöchentlichen Verkaufszahlen ausdruckt.
»Aber ja nicht auf die Tabulatortaste drücken, während
der Drucker läuft«, sage ich mit gespieltem Ernst. »Sonst explodiert der Computer.«
Brent macht große Augen. »Ach du meine Güte! Ist das eine
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