Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Rezensionen erhalten hatte, bei sich zu behalten. In sich zusammensackend sank sie auf den Stuhl, den er für sie freigehalten hatte. Ihre Hand war beinahe nicht in der Lage, das Glas Orangensaft zum Munde zu führen. “Das ist doch auch zu anstrengend für dich”, sagte Hubert und sah bezeichnend auf ihre zitternde Hand.
Sie nahm die andere Hand zur Hilfe. Trank. “Nein”, sagte sie, “es ist nicht zu anstrengend für mich. Ich will, daß dies Buch gedruckt wird. Ich will es, und ich muß es tun.”
Abrupt stand Huberts Mutter auf. Gaby hatte vergessen, daß sie in ihrer Gegenwart nicht über “diese Schande” sprechen durfte. “Ich will nach Hause”, sagte seine Mutter. “Ich fühle mich nicht wohl. Du verstehst, mein Guter, mein Herz.”
Sie hielt den Brief aus Ecuador in der Hand: “Mein lieber Schatz, einen kurzen, aber lieben Gruß aus Quito. Viel Arbeit, aber sehr schön, mal wieder hier zu sein, und das Wetter ist herrlich. Schade , daß du nicht hier sein kannst. Ich küsse dich, ich liebe Dich! Dein Hubert.”
Und aus Kolumbien kam eine Karte im Umschlag: “Jeder Tag ohne dein Lächeln ist ein verlorener Tag.”
Gaby sah auf seine vertraute Handschrift, sah ihn im Hotel sitzen, alleine und an sie diese Worte schicken. Tränen der Scham und der Rührung sprangen in ihre Augen. Der Scham, weil sie bei seinem Weggehen wieder geglaubt hatte, daß er in Gedanken schon bei einer anderen Frau im Bett lag. Dieses abwesende Lächeln, seine Zerstreutheit, wenn sie ihn etwas fragte, seine nur mühsam versteckte Freude, auf Reisen gehen zu können. Tränen der Rührung wegen seiner lieben Worte. Gott, was war sie doch für eine Närrin! Wie konnte sie nur je an seiner Liebe und Treue zweifeln! So etwas schreibt ein Mann doch nicht, wenn er nicht wirklich liebt? Ein Mann, der nicht liebt, ruft doch nicht jeden Tag seine Frau aus Übersee an, nur um zu fragen, wie es ihr geht?
Ich will mich bessern, wirklich, ich will nicht wieder an ihm zweifeln.
Zum Nikolausfest bekam sie eine Sodalithkette. Auf dem beigefügten Gedicht, das sie laut vorlesen mußte, war ein Hinweis auf die griechische Herkunft. Und daß diese Kette beinahe eine griechische Tragödie verursacht hatte. “Mit Eifer sucht die Eifersucht”, las Gaby, und ihre Stimme bebte ein wenig, als sie: “bessere dich, dein Nikolaus” las. Eine schöne Kette. “Ich habe in Kolumbien noch ein Goldschloß anbringen lassen, weil du ja allergisch gegen Silber bist.” Wie lieb von ihm. Wirklich, eine schöne Kette. Griechische Handarbeit? Ich will mich bessern, dachte sie, ich will und darf nicht mehr an seinen Worten zweifeln.
Seine Mutter hatte nicht kommen können. “Ich fühle mich nicht so wohl”, hatte sie am Telefon gesagt. “Ihr wißt ja, mein Herz.”
Es ging ihr wirklich nicht gut. Sie nahm ihre Tabletten nicht regelmäßig. “Vielleicht können wir sie einmal für ein paar Tage mit in Urlaub nehmen”, schlug Gaby vor. “Ich meine, nicht im Hochsommer, da ist es ihr doch zu warm, und dann ist zuviel Betrieb in den südlichen Badeorten, aber zu Ostern vielleicht, wenn wir einen Kurzurlaub machen?” Hubert sah sie entgeistert an. “Zusammen mit meiner Mutter und euch? Das ist viel zu unruhig für sie.” Er schwieg und rieb sich nachdenklich die Nasenspitze. “Ich möchte gerne allein mit ihr in Urlaub fahren. Das wäre das Richtige für sie.”
Gabys gute Vorsätze schmolzen dahin wie Butter unter der Sonne. Er alleine mit seiner Mutter? Wem wollte er das wohl weismachen? Ein paar Tage ja, aber länger? “Nie könnte ich mit meiner Mutter zusammen in Urlaub fahren”, hatte er bei früheren Gelegenheiten erstaunlich ehrlich gesagt. “Ich begreife nicht, wie Berthold das aushält.” Berthold hatte schon des öfteren einige Spritztouren mit seiner Mutter unternommen. “Prima”, hatte Laura dazu gesagt, “ solange ich nicht mit muß.” Aber Laura war auch nicht eifersüchtig. Laura wußte wahrscheinlich nichts von unüberwindlichen Wünschen, geflüsterten Träumen, die Wirklichkeit werden sollten, nichts von rosaroten Clubs, nichts von Vermutungen, Spannungen, Ängsten. Nichts von Beweisen, die sich aus Huberts Mund gegen sie kehrten.
“Nein”, sagte Gaby, “ich glaube nicht, daß du wirklich mit deiner Mutter allein in Urlaub fahren willst. Ein paar Tage, okay, aber mehr? Ich finde, der Urlaub gehört den Kindern und mir. Du bist oft genug im Jahr auf Geschäftsreisen. Du kannst dich oft genug von uns erholen.”
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