Zuckerpüppchen - Was danach geschah
Körper, wie noch kein anderer Mann vor ihm. Aber wenn für sie Liebe und Geborgenheit und Vertrauen zum Sex gehörten, was blieb dann bei ihm noch übrig? Eine gute Technik, nicht mehr und nicht weniger.
Ich kann nicht mehr objektiv denken, verwies sie sich. Ich will ihn nicht verlieren. Ich will ihn nicht aus dem Haus treiben, wie seine Mutter es mit ihrem Mann getan hat. Ich will auch in dieser äußerst emotionalen Angelegenheit meinen Verstand bewahren. Nur mit ihrem Verstand hatte sie in ihrem Leben alle schlimmen Dinge überlebt. Aber jetzt war es anders. Die Bombe war explodiert. Wie lebte man nach der Bombe? Wohin sie sah, waren nur noch rußige Aschenhäufchen übrig, schwelende Gemäuer, was einmal ein festes Bauwerk gewesen war. Verbrannte Erde. Nichts war übriggeblieben von der großen Illusion von Liebe und Vertrauen. Aber man konnte doch neu aufbauen? Nach jeder Zerstörung waren die Menschen wieder ans Werk gegangen und hatten auf den Trümmern neue Häuser gebaut. Anders, aber doch auch wieder stabil genug, um gut darin zu leben. Man mußte nur wollen.
Er las den Brief, einmal, zweimal. “Ich glaube, es ist gut, daß du aufgeschrieben hast, was du willst.” Er sah sie durchdringend an. “Ich weiß nicht, was ich will. Wenn ich es weiß, werde ich es dich wissen lassen.”
Sie war vor Jahren einmal mit ihm auf einer Kirmes gewesen. Da gab es eine Attraktion, in der die Menschen in ein großes Faß gingen, das sich zu drehen begann, schneller und immer schneller. Die Menschen wurden wie die Fliegen an die Faßwand gedrückt, platt, oft in grotesken Haltungen. Und während sie da hingen, öffnete sich der Boden unter ihren Füßen, ein schwarzes Loch tat sich auf, nur die Geschwindigkeit hielt sie noch an der Wand. Gaby hatte nur zugeschaut und nicht begriffen, wie man sich solch einer Gefahr aussetzen konnte.
Jetzt hing sie selbst wie eine Fliege an der Wand. Der Boden unter ihren Füßen war verschwunden. Sie war schon abgestürzt, nur die Geschwindigkeit hielt sie noch fest an ihrem Platz.
Er hatte wieder die Fäden in der Hand. Der Jo-Jo-Effekt. Er zog sie heran, ließ sie wieder gehen. Wenn er genug vom Spiel hatte, würde das Band durchhängen und das Jo-Jo in irgendeine Ecke kullern. Er bestimmte, wann das Spiel aus war.
Er weckte sie mit fünfzehn roten Rosen. Er küßte sie. “Zu unserem Hochzeitstag! ” Einen langen tröstlichen Augenblick glaubte Gaby, die letzten sechs Wochen nur geträumt zu haben, die Bombe, die unbarmherzige Wahrheit, das schwarze Loch unter ihr. Fünfzehn rote Rosen! “Zum Dank für viele schöne Stunden”, stand auf der beigefügten Karte. So einfach war das, man bedankte sich für schöne Stunden und ging wieder zur Tagesordnung über. Was stand heute auf dem Programm? Für Hubert hatte sich nichts geändert, er ging in die Firma, knipste sein Lächeln an, das er erst abends im Dunkeln wieder löschte. Vielleicht, daß er im Laufe des Tages hin und wieder darüber nachdachte, wie er in Zukunft leben wollte. Allein oder mit Gaby und den Kindern. “Natürlich werde ich dir die Kinder nicht nehmen”, hatte er sie vor ein paar Tagen beschwichtigt, “das war nur in der ersten Emotion gesagt.” In der zweiten war ihm wahrscheinlich bewußt geworden, daß zwei Kinder im Alter von zehn und vierzehn Jahren auch noch Pflege und Ordnung nötig hatten. Sie wären ihm bei seinen Abenteuern im Weg, dachte Gaby bitter, das hatte er sich gerade noch rechtzeitig klar gemacht. Aber vielleicht entschied er sich ja auch für sie? Heute war ihr Hochzeitstag. Vielleicht würde er heute abend ihre Hand nehmen und zu ihr sagen: “Es tut mir so leid, was ich dir angetan habe. Ich kann es nicht wiedergutmachen, aber in Zukunft bin ich dir ein treuer Mann. Ich werde dich nicht mehr belügen.” Er hatte sie zum Essen eingeladen. “Wir können doch diesen Tag nicht so Vorbeigehen lassen.” Die Kinder sahen sie hoffnungsvoll an. “Nicht wahr, Mammi, alles wird wieder gut? Sieh mal, die schönen Rosen!” — ”Ja, wirklich, sehr schöne Rosen.”
“Nein”, sagte Hubert, nachdem der Aal in einer feinen Sahnesoße serviert war, “ich weiß immer noch nicht, was ich will. Mir ist bewußt geworden, daß ich doch eigentlich einiges bei dir vermisse.” Er winkte dem Ober ab und schenkte ihr selbst ein Glas weißen Bordeaux ein. “Trotzdem, auf unser Wohl.” Sie trank. Sie nahm einen Bissen von dem Aal. Sie konnte Aal nicht mehr vertragen, zu fett. Sie nahm einen weiteren
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