Zügel der Leidenschaft
etwas Bestimmtes erreichen wollte. »Wenn euch unser eintöniges Landleben nicht langweilt«, gab Angela freundlich nach. »In Easton gibt es nur ländliche Vergnügen, aber Millie und Sutherland kommen ebenfalls, und vielleicht noch Dolly und Carson.«
»Easton ist immer etwas Besonderes, Liebling, und niemand macht es den Gästen so angenehm wie du. Klingt, als plantest du ein gemütliches Familientreffen mit deinen Schwestern. Da wären wir gerne dabei.«
Easton war der Landsitz Angelas, den sie von ihrem Großvater geerbt hatte. Das Anwesen ihres Mannes lag in einiger Entfernung davon, und die beiden sahen einander nur selten – in aristokratischen Kreisen kein ungewöhnliches Arrangement. Wie viele Ehen, die aufgrund von praktischen und finanziellen Erwägungen geschlossen wurden, hatte sich ihre Beziehung zu einer bemüht höflichen und zurückhaltenden Verbindung abgekühlt.
»Das wäre also abgemacht«, meinte Angela, während sie rasch darüber nachdachte, wie sie die unpassende ›Gemütlichkeit‹ des Zusammentreffens etwas verwässern könnte. Wochenenden auf dem Lande waren berüchtigt für Flirtereien, und obzwar sie Kit Braddocks Absichten hinsichtlich Priscilla nicht falsch einschätzen wollte – noch die kurzen Augenblicke, die sie selbst mit ihm allein verbracht hatte –, würde sie sich doch unendlich sicherer fühlen, wenn noch weitere Gäste zugegen wären. »Ich frage mich«, überlegte sie laut weiter, »ob ich noch ein paar mehr Leute einladen sollte, damit ihr und Mr. Braddock die Sache nicht zu langweilig findet?«
Die violette Seide auf Priscillas Strohhut glänzte auf und tanzte heftig hin und her, weil sie energisch den Kopf schüttelte. »Ich möchte auf keinen Fall, daß Sie Harriette Villiers oder Fanny Frampton oder andere Debütantinnen einladen«, erklärte sie scharf, »diese kleinen Flittchen! Jeder weiß, daß Fanny Rouge benutzt, und über Harriette sagt die eigene Tante, daß sie vorwitzig ist. Selbst Cecily, die, die immer so unschuldig tut, hat Kit bei der Party von Lord Albemarie in den Wintergarten gelotst, und ich mußte ihn ihr praktisch entreißen. Diese kleinen Huren will ich keinesfalls in seiner Nähe haben.«
»Deine unmögliche Ausdrucksweise, Priscilla, ich bitte dich«, warnte ihre Mutter. »Was würde Kit denken, wenn er dich so reden hört wie ein gemeines Bauernmädchen!«
Angela hielt Kit Braddock für unausgesprochen unschockierbar, doch sie war sich Priscillas Abneigung gegenüber Rivalinnen durchaus bewußt und schlug daher vor: »Warum schickst du mir nicht eine Liste von Freundinnen, die du gern in Easton sehen würdest. Welche, die nie flirten?« fügte sie lächelnd hinzu. Da fiel ihr Blick auf die Desirée , die gerade mit kühn geblähten Segeln Gurnard-Point umrundete; selbst aus der Entfernung wirkte der Segler ungeheuer schnell, und sie überkam die vertraute Erregung, wie immer, wenn sie ein gutes Schiff erblickte. »Die Desirée liegt vorn!« Als sie auf die weit entfernte Route östlich von Cowes hinwies, ertönte gleichzeitig ein Jubelschrei von der königlichen Gesellschaft, die bei der Reling saß.
»Der Prinz von Wales betet Kit geradezu an.« Priscilla betonte jedes einzelne Wort mit so affektierter Arroganz, als sei die Freundschaft zwischen Kit Braddock und dem Prinzen von Wales nur ein weiterer ihrer eigenen Verdienste.
»Dann ist er wohl sehr amüsant«, bemerkte Angela, und ihr Blick wanderte von den schnittigen Jachten zu ihren Begleiterinnen. Sie wußte, daß Bertie Langweiler verabscheute.
»Oh, Kit ist so furchtbar komisch. Der Schatz bringt sogar Papa zum Lächeln.«
Das ist in der Tat eine gewaltige Leistung, dachte Angela. Arnold Pembroke war von mürrischem, autoritärem Wesen, ohne die geringste Spur von Humor.
»Und Kit hilft Ihrer Majestät beim Aufbau seiner Rennställe«, erklärte Priscilla. »Sie waren zusammen in Newmarket.«
»Hast du gehört, daß er Knoltons Team letzte Woche zum Sieg in Hurlingham verholfen hat?« fragte Charlotte.
»Das hat Charlie sicher gefallen.« Aber das Bild von Kit Braddock, der in halsbrecherischem Tempo über das Polofeld raste, brachte sie ein wenig aus der Fassung – das Gefühl ungezügelter Kraft war fast greifbar. »Schicke mir doch bitte deine Namensliste so bald wie möglich«, fügte sie rasch hinzu. Ein Haus voller Gäste würde ihr Sicherheit vor ihren rätselhaften Gefühlen verleihen.
»Ich habe eine wunderbare Idee!« fuhr Charlotte plötzlich dazwischen.
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