Zug der Traeume
sich ja schon gezeigt.
Nur muss es jemand noch meinem Herzen klarmachen.
»Warum?«
»Ich … Kann ich kurz vorbeikommen? Ich weiß, wo du wohnst. Genauer gesagt, ich stehe auf dem Parkplatz. Kann ich vielleicht hochkommen?«
»Mein Sohn ist bei mir.«
Auf meiner Hose sind Stinktiere.
»Das macht nichts. Ich bin nicht …« Er seufzt, und ich sehe vor mir, wie er in einem Auto sitzt und sich die Haare rauft. »Bitte.«
Er … bettelt quasi. Ist es die Möglichkeit?
Betteln ist kein Zug, den ich mit ihm verbinden würde, doch ich beschließe, dass er mir gefällt. Wenn er in meiner Wohnung auf den Knien vor mir herumrutschen und eine Weile nur »bitte, bitte« sagen will, habe ich kein Problem damit.
Er und die Babysitterin kommen gleichzeitig an, was das Ganze doppelt peinlich macht. Ich lasse sie beide herein, und Josh macht entsetzte Kleinkinderaugen, mit wackelndem Kinn und allem Drum und Dran, weil er Tyler nicht kennt und die relativ neue Babysitterin noch nicht besonders mag. Wenn er erst mal warm mit ihr wird, ist alles gut. Es ist nur so eine Trennungsangstsache. Manchmal muss ich fünfundzwanzig Minuten lang konzentriert auf ihn einreden, damit er aufhört, sich an mein Bein zu klammern wie eine kreischende Klette.
An diesem Morgen habe ich für so etwas keine Zeit. Tyler ist hier, hat die Hände in den Taschen und sieht zum Himmel schreiend gut aus. »Becky, das ist Tyler. Tyler, Becky. Könntet ihr vielleicht schon mal ins Wohnzimmer gehen?« Ich zeige ihnen, wo es langgeht. »Ich muss noch schnell was erledigen.«
Josh wimmert schon vor sich hin. Er hat Becky gesehen und weiß, was das heißt. Ich öffne die Küchenschublade, in der sich mein geheimes Arsenal befindet, und fische drei von Halloween übrig gebliebene Minischokoriegel heraus. Wieder im Wohnzimmer suche ich eine Folge eines Zeichentrickfilms raus, den Josh liebt, und lege die DVD ein. Ich weigere mich, darüber nachzudenken, wie von da, wo Tyler steht, mein Hintern in dieser Hose aussieht.
Ich kehre in die Küche zurück, schnappe mir Joshs Hochstuhl und rolle ihn in Sichtweite des Fernsehers. Sein Gesicht verknautscht sich, als er Becky und Tyler sieht, die ihn anstarren. Ich reiße eine Schokoriegelpackung auf, gebe Josh die Süßigkeit und stelle den Fernseher an.
»Komm mit!«, sage ich zu Tyler, führe ihn in mein Schlafzimmer und schließe die Tür.
Einen Moment frage ich mich, wie das für Becky aussehen muss, aber dann werde ich von meinem Schlafzimmer abgelenkt, das ein einziges Chaos ist. Nirgendwo ist Platz, dass Tyler sich hinsetzen könnte. Ich habe das Bett nicht gemacht. Ich habe nicht einmal ein richtiges Bett, sondern nur eine Matratze und einen Lattenrost auf dem Boden. Ich wollte mir eigentlich schon längst eins kaufen, doch das hat nicht oberste Priorität. Ebenso wenig wie die Wäsche. In der Ecke türmt sich schmutzige Kleidung.
Ich drehe mich um, und da steht er. Groß. Riecht nach Winter, frisch und kühl. Sieht aus wie ein männliches Model – und ich habe eine Stinktierhose an.
»Ich habe nicht viel Zeit. Ich muss mich für die Arbeit fertig machen.«
Er schluckt, und ich starre auf seinen Hals. Sein Mantel ist nicht zugeknöpft, und darunter trägt er einen flauschig aussehenden schwarzen Pulli. Ich will meine Stirn gegen seine Brust drücken.
Das wäre beruhigend,
sage ich mir, aber das ist gelogen. Es wäre das Gegenteil von beruhigend.
»Ich habe einen Fehler gemacht«, sagt er. »Viele Fehler.«
Ich befehle mir selbst abzuwarten, während mir der Atem im Hals stecken bleibt. Meine Zellen hören auf, sich zu teilen. Mein Blut hört auf zu zirkulieren. Mein Herz schlägt jedoch weiter, und im Wohnzimmer quietscht Josh vor Vergnügen. Da entfaltet vermutlich gerade die Schokolade ihre Wirkung.
»Ich hätte nicht Nein zu dir sagen sollen. Ich will, dass du mir noch eine Chance gibst.«
»Was für eine Art von Chance?«
»Ein Date.«
»Was für eine Art von Date?«
»Die Art, wo ich Tyler bin und du Mandy, und ich hole dich um sieben ab, fahre mit dir in ein Restaurant und lade dich zum Essen ein.«
Das klingt für mich wie meine Art von Date. Aber er ist noch nicht fertig.
»Und danach reden wir bei einem Kaffee über unsere Kindheit, und du bringst mich zum Lachen, und dann gebe ich dir einen Gutenachtkuss und würde am liebsten zum Auto zurückhopsen, weil du so verflucht toll bist.«
Ich muss für einen Moment wohl nicht ganz bei mir gewesen sein, denn ich kann mich nicht entsinnen,
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