Zukunftsmenue
außerdem, resistentere Arten zu entwickeln, die besser gegen das Gift gewappnet
sind. Auf den Baumwollfeldern der USA macht sich beispielsweise ein Unkraut breit, das gegen das Monsanto-Herbizid »Roundup« mit seinem Wirkstoff Glyphosat resistent ist. Palmer Amaranth (lat. Amaranthus palmeri ) heißt die Pflanze, die zwei bis drei Meter hoch wird und der Baumwolle keinen Raum zum Wachsen lässt. Außerdem kann das Unkraut die Erntemaschinen beschädigen. Erste Farmer in North Carolina und Georgia mussten bereits ihre Felder aufgeben. Ein anderes Super-Unkraut, das durch diesen sogenannten Selektionsdruck entstand, weil es »lernte«, sich gegen eingesetzte Totalherbizide zu verteidigen, ist das Kanadische Berufkraut (lat. Conyza canadensis ), das im US-Bundesstaat Delaware bereits nach zweijähriger Anwendung von Glyphosat resistent wurde und heute auf den Feldern wuchert. Um der resistenten Super-Unkräuter Herr zu werden, kommt zunehmend die Handhacke zum Einsatz. Jede Resistenz aber wird von den Chemieriesen durch oft noch problematischere Substanzen beantwortet. Diese Gifte sickern ins Grundwasser, gelangen in die Luft und sammeln sich in Pflanzen und Tieren an. Sie verändern die Fruchtbarkeit, das Wachstum, die biologische Vielfalt, den Genpool und damit nicht nur die Gesundheit von Pflanzen und Tieren, sondern auch die unsere.
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Auf dem eigenen Acker mit anzupacken macht mich richtig glücklich. Und ich kann mich von der Qualität meines Gemüses (hier Mangold) überzeugen.
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Wabenrähmchen mit verdeckelter Arbeiterinnenbrut. Den Naturbau erkennt man an den freien Flächen. In der konventionellen Imkerei füllen die Waben die Rähmchen dichter aus.
Lange habe ich gedacht, zumindest bei den Bienen gäbe es eine wesensgerechte, natürliche Tierhaltung. Dass das nicht so selbstverständlich ist, erfuhr ich, als ich 2011 auf eine besondere Imkerei oder besser gesagt auf den Verein Mellifera e.V. stieß und prompt Bienenpatin wurde. Anfang 2012 hatte ich dann das Glück, während der Dreharbeiten zu meiner Serie »Sarah Wieners erste Wahl« über Grundnahrungsmittel für ARTE und den ORF eine Woche lang in der Imkerei Fischermühle mitarbeiten zu dürfen, dabei habe ich sehr viel über Bienen gelernt.
Selten hat mich ein Tier und dessen organisatorische Strukturen mehr berührt und begeistert. Deshalb habe ich die Gelegenheit genutzt und mich mit Thomas Radetzki von Mellifera unterhalten – auf einer Holzbank in der blühenden Wiese, mitten unter Bienenvölkern.
Tischgespräch mit Thomas Radetzki
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Thomas Radetzki ist Imkermeister und Vorstand von Mellifera e.V., der Vereinigung für wesensgemäße Bienenhaltung. Mit seiner Lehr- und Versuchsimkerei Fischermühle entwickelt der als Demeterbetrieb anerkannte Verein seit 1985 nachhaltige ökologische Konzepte für die Bienenhaltung.
Sarah Wiener: Ich habe gelernt, dass es sogar in der Imkerei konventionelle und artgemäße Bienenhaltung gibt. Wo liegt denn da der Unterschied?
Thomas Radetzki: Ja, auch die Imkerei ist keine heile Welt mehr und hat im Lauf der letzten Jahrzehnte eine enorme Intensivierung durchgemacht. Ökologische Imkerei im Sinne der EU-Verordnung heißt im Grunde nur, Arzneimittel, die Rückstände in den Bienenprodukten bilden, wegzulassen. Was wir hier bei Mellifera machen, ist ein gravierender Schritt darüber hinaus. Wir kümmern uns auch um die Art der Haltung. Deshalb nennen wir das, was wir tun, nicht nur »ökologische Bienenhaltung«, sondern »wesensgemäße Bienenhaltung«. Das heißt konkret: Wir unterdrücken nicht den natürlichen Vermehrungs- und Schwarmtrieb, und unsere Bienenvölker dürfen auch ihre Waben frei bauen. Das war über Jahrmillionen selbstverständlich und ist in den letzten hundert Jahren nach und nach abgeschafft worden.
Du hast gesagt, Ökohonig ist frei von Arzneimittelrückständen. Ist das bei Produkten aus konventioneller Imkerei anders?
In Deutschland hat Honig das Image eines sauberen, naturbelassenen Produkts. Wenn ein Imker konventionelle Arzneimittel einsetzt, macht er das in aller Regel so, dass sich keine Rückstände im Honig finden, wenn es doch welche gibt,
dann eher im Wachs. Für den Menschen ist das kein Problem. Für die Bienen aber sehr wohl. Eine kleine Bienenlarve liegt in einer Wachszelle wie ein Embryo in einer Gebärmutter. Sie hat also ständig Körperkontakt mit kontaminiertem Wachs – und da können subletale Belastungen bedrohlich für sie
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