1034 - Kitas Kettenhund
»Das glaube ich Ihnen aufs Wort, Mr. Cortney.« Der ältere Mann konnte nur die Schultern heben. Er war jemand, der seiner Arbeit mit großem Engagement nachging. Einer, der seine Tätigkeit liebte und zu den besten Leuten gehörte, die man sich vorstellen konnte, was seine Berufung anging. Er war Tiertrainer. Er bildete die Hunde aus, die für die Polizei arbeiteten. Er hatte in seiner Laufbahn viel erlebt, so etwas aber noch nicht.
Ich stand noch vor dem Tor des Holzhauses, das wie ein Stall aussah. Zusammen mit anderen Gebäuden bildete es die Westseite eines ansonsten ziemlich frei liegenden Trainingsgeländes, auf dem die Hunde dressiert wurden und all das lernten, was sie später unbedingt brauchten. Hier wurde das Tier zum Freund des Menschen und umgekehrt. Die Hunde kamen zumeist aus Germany. Schäferhunde, die sehr gelehrig und unbedingt verläßlich waren.
Über dem Platz lag eine bedrückende Stille. Normalerweise wären die Rufe der Trainer oder ein scharfes Bellen und Kläffen zu hören gewesen. Das konnte ich hier vergessen. Das Gelände erinnerte mich mehr an einen sehr großen Friedhof.
Ich verzichtete darauf, mir eine Zigarette anzuzünden und wandte mich wieder an den Trainer. »Es gibt wirklich keine Spuren, wie Sie schon sagten?«
Sein Gesicht trübte noch mehr ein. »Nichts, Mr. Sinclair, gar nichts. Das war wie eine Apokalypse, die unsere Tiere mitten in der Nacht erwischt hat.« Er hob einen Zeigefinger. »Und das bei Schäferhunden, Sir, die nicht zu den schwächsten Tieren gehören. Die können sich wehren. Die wissen, was Sache ist.«
Ich fragte: »Wie viele waren es?«
»Vier. Wir hatten sie zum Training hier.«
Über dem Gelände lag ein leichter Dunst. Es war kühl geworden.
Der Sommer hatte sich endgültig verabschiedet, und der Herbst griff mit langen Armen nach der Natur. Feuchtigkeit hatte sich in der Luft gesammelt. Dünne Nebelschwaden hinterlassend, die eine blasse Sonne noch nicht völlig aufgelöst hatte.
Vom Parkplatz her, auf dem einige Wagen standen, löste sich eine Gestalt. Es war mein Freund Suko, der sich in der Umgebung umgesehen hatte. Er hatte nach Spuren suchen wollen. Eine vergebliche Mühe, wie er mir beim Näherkommen durch ein Anheben seiner Schultern andeutete. »Nichts, John.«
»Ich hatte es Ihnen gesagt«, meinte der Trainer.
Suko lächelte ihn an. »Es ist nicht so, daß wir Ihnen nicht glauben wollten, Mr. Cortney, nur gehören wir zu den Menschen, die sich gern selbst von gewissen Dingen überzeugen. Aber Sie haben recht gehabt. Es gab nichts zu finden.« Er zog einige Male die Nase hoch und schaute mich dabei an.
»Das ist der Blutgeruch, Suko.«
Er drang aus der Baracke hervor. Daß etwas Schreckliches hier geschehen war, sahen wir auch anhand der Spuren auf dem Boden.
Vor dem Eingang malten sich die roten, schon leicht ins Bräunliche übergehenden Flecken ab.
»Können wir?« fragte Cortney.
Wir waren einverstanden.
Der Trainer holte einen Schlüssel hervor, um das Vorhängeschloß zu öffnen, das den Eingang sicherte. Er war noch blasser geworden.
In seinem Gesicht regte sich kein Muskel. Sein Blick war starr. Der Mann hatte sich in sich selbst versenkt.
Er öffnete die Tür. Das dabei entstehende Geräusch nahm ich zumindest nur am Rande wahr. Etwas anderes drang viel stärker an meine Ohren, obwohl es im Prinzip leiser war. Das Summen der dicken, fetten, grünlich schimmernden Schmeißfliegen, die sich innerhalb der Baracke zu Wolken zusammengefunden hatten. Sie tanzten und surrten über das hinweg, das der Trainer und seine Helfer von draußen her in die Baracke geschafft hatten.
Der Trainer ging vor. Es war ein Raum, in dem Geräte aufbewahrt wurden. Hindernisse, die sonst im Freien standen, hatten ihre Plätze hier ebenso gefunden wie Balken, auf denen die Tiere das Balancieren lernten. Wir sahen auch Werkzeuge, zwei Fahrräder sowie Waffen. Eisenstangen, Holzknüppel, Maschinenpistolen in Attrappenform, Messer und normale Schießeisen. Aber auch Puppen, die einem Menschen perfekt nachgebaut waren, wurden hier aufbewahrt, denn die Hunde sollten lernen, wie sie sich gegen bewaffnete Personen zu wehren hatten.
Das alles interessierte uns höchstens am Rande. Die Hunde waren wichtiger – oder das was von ihnen übriggeblieben war. Der Trainer hatte recht gehabt. Es war besser gewesen, vor der Baracke tief einzuatmen, denn hier war die Luft einfach schlimm. Sie strömte uns von dort entgegen, wo die fetten Schmeißfliegen eine
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