Zum Glück Pauline - Roman
Nerven.»
«…»
«Das wird schon alles wieder. Also dann, ich muss rein …», meinte sie lächelnd.
Ich versuchte ebenfalls zu lächeln, aber der Schmerz verzerrte mein Gesicht. Ich schämte mich für das, was ich über sie gedacht hatte. In Wirklichkeit machte sie einen ganz überlegten, fleißigen und menschlichen Eindruck. Ich schaute ihr nach, und plötzlich ging es meinem Rücken wieder richtig spitze.
* So wie mit «managen», «Bruchteil», «Kontoabschluss», «Sommerurlaub», «Berichterstattung», «blutsverwandt», «Gewebeprobe», «abermalig», «harsch».
8
Intensität der Schmerzen: 8
Gemütslage: verzweifelt
9
Ich konnte mich kaum noch vorwärtsbewegen. Es war, als würde irgendein Körperteil in irgendeiner Tür festklemmen. Bevor ich ging, wollte ich noch kurz den Arzt vom Vortag sprechen. Er lief mir zufällig auf einem der Flure über den Weg. Er erkundigte sich gleich nach meinem Befinden, was in meinen Augen faszinierend war, denn er musste nach mir gut ein Dutzend Patienten behandelt haben, und vermitteltemir das Gefühl, dass unser Termin eben erst gewesen war. Ich keuchte, der Radiologe habe mir zu einer Kernspintomographie geraten. Einen kurzen Augenblick wirkte er überrascht, war jedoch Profi genug, um sich schnell wieder zu fassen und den Schein der Normalität zu wahren. Ja, das sei absolut üblich. Es bestehe vor allen Dingen kein Grund zur Sorge. Das sei eine minutiöse Untersuchung, die es erlaube, zu einer eindeutigen Diagnose zu gelangen. Er nahm sich Zeit, mir in etwa den Ablauf einer Kernspintomographie zu beschreiben. Eine Minute später war ich vollkommen beruhigt. Es war mir peinlich, ihn so lange aufzuhalten, was mich allerdings nicht davon abhielt, ihm noch ein bisschen von meinen fürchterlichen Schmerzen zu erzählen.
«Ach ja, genau … ich verschreibe Ihnen Schmerzmittel. Codein-Tabletten. Aber wenn die Schmerzen nicht aufhören, müssen Sie Morphium nehmen. Schreib ich Ihnen auch auf.»
«…»
«Man kann auch Cortison-Spritzen geben, aber ich glaube, das hilft nicht so viel.»
Ich hatte zu dem Thema keine Meinung. Dafür totales Vertrauen in diesen Mann. Er händigte mir das Rezept aus, und ich bedankte mich überschwänglich. Seine Freundlichkeit und Hilfsbereitschaft hatten mir wieder etwas Mut eingeflößt, so konnte ich halbwegs erhobenen Hauptes meiner Wege gehen.
Draußen auf der Straße hielt ich nach einer Apotheke Ausschau. Es kam mir aberwitzig vor, dass mir hier vor dem Krankenhaus nicht gleich eine ins Auge sprang. Um einen Friedhof herum wimmelt es doch auch von Blumenläden. Bestimmt zweihundert Meter weiter entdeckte ich endlich eine. Eine Frau begrüßte mich freundlich, sie war jedoch ein bisschen langsam. Um das Rezept zu entziffern und die Artikelnummer in ihren Computer einzugeben, brauchte sie mindestens fünf Minuten. Und dann weitere fünf Minuten, um die Schachteln zu holen. Zehn Minuten können eine Ewigkeit sein für jemanden, der leidet. Nachdem die Frau ja anfangs einen ganz positiven Eindruck auf mich gemacht hatte, hätte ich sie mittlerweile am liebsten umgebracht. Als es daran ging, die Medikamente zu bezahlen, sagte sie:
«Haben Sie Rückenschmerzen?»
«Ja.»
«Da sind Sie nicht der einzige. Zur Zeit haben alle Rückenschmerzen.»
«Aha …»
«Scheint gerade in Mode zu sein.»
«…»
Darauf fiel mir nun beim besten Willen keine Antwort ein. Ich hatte also ein modisches Leiden. Das befriedigte mich doch ein wenig. Und es hatte auch Vorteile: Ich litt an keiner exotischen Krankheit, von der man noch nie etwas gehört hatte. Die medizinische Forschung war ganz auf mich ausgerichtet. Ich bat die Apothekerin um ein Glas Wasser, um gleich zwei Tabletten nehmen zu können. BeimHinausgehen nahm ich die lange Schlange zur Kenntnis, die sich hinter mir gebildet hatte.
Als ich dann vor der Apotheke stand, fragte ich mich, was ich jetzt tun sollte. Zur Arbeit gehen kam nicht infrage. Mir fehlte die Energie, dem Unheil die Stirn zu bieten. Wozu auch? Ich war zum Paria degradiert worden, man wollte mich sowieso nicht sehen. Mein Handeln war ohne unmittelbare negative Folgen geblieben, insofern drohte mir kein Rausschmiss. Ich würde lediglich das erfahren, was man gemeinhin mit dem Ausdruck
aufs Abstellgleis geschoben werden
bezeichnet. Dabei hatte ich mich in der Vergangenheit stets als anständiger Kollege erwiesen, meine Karriere war absolut makellos verlaufen, ein weiterer Grund, weshalb man mich wohl nicht
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