Zum Teufel mit dem Jenseits! (German Edition)
überzeugend und fischte einen zweiten Keks vom Teller - sich sehnsüchtig der Packung Zigaretten bewusst, die seinem Gaumen jetzt wesentlich lieber gewesen wären. Stoisch konzentrierte er seine Gedanken auf die junge Frau und ihr ominöses Phantom.
»Die vergangenen Wochen und Monate ...«, spann sie übergangslos ihre Geschichte fort »... verliefen allesamt ähnlich. Der Geist wurde quasi zu meinem ständigen Begleiter und aus dem anfänglichen Hirngespinst entwickelte sich Gewissheit. Ich fantasierte mir diese Sachen nicht zusammen. So unwahrscheinlich und bar jeglicher Logik es sein mochte … das Ganze passierte wirklich. Das Flüstern, die Schatten, seine Berührungen – sie existierten nicht allein in meinem Kopf. Sie waren real. Echt. Richtig. Dermaßen richtig, dass ich mich bald an die permanenten Besuche gewöhnte. Nein, genau genommen sehnte ich sie herbei. Gierig sog ich jedes Zeichen auf, das er mir schickte. Jede kleine Geste vom nebelhaften Gruß bis zur kryptischen Botschaft im Dunst der Duschwand. Und während der Kastanienbaum sein sattes Grün zurückgewann, füllte sich auch meine Leere mit Leben. Ich besaß diese irrationale Überzeugung, dass Markus einen Weg zu mir gefunden hatte. Dass unsere Verbindung sogar den Tod überwinden konnte. Ich verschmolz mit dieser Illusion und genoss das Gefühl, mich ihr komplett hinzugeben.«
Sie lachte freudlos auf. Ein Laut, der ihm eine Gänsehaut bescherte.
»Wie die naive Heldin in einem billigen Groschenroman! Hockt daheim und wartet auf das Erscheinen ihres pulslosen, durch reine Liebe zurückgebrachten Gatten! Mein Gott, ich wünschte mir so sehr, an eine Brücke ins Jenseits zu glauben. Für rationale Überlegungen blieb da kein Raum mehr. Ich habe mich selbst zum perfekten Opfer gemacht!«
Lara verstummte.
»Opfer?« Zaghaft würgte er die Pfütze kalten Kaffees hinunter, die am Boden des Porzellans trüb wurde, und blickte sie an. »Ich fürchte, ich verstehe nicht ...«
Aus heiterem Himmel driftete dieser Nachmittag in eine surreale Richtung ab, die ihm gar nicht behagte. Mit einer romantisch verschrobenen Mysterystory konnte er durchaus umgehen. Auch mit einer Frau, die seiner Meinung nach ihre eigene Form von Trauerbewältigung praktizierte; und auf diese Weise eventuell eine Schulter zum Anlehnen suchte. Aber das … diese fünf Buchstaben … dazu ihr leicht paranoider Sopran ...
»Lara?«
Sie schwieg.
»Meinen Sie, dieses Wesen bedroht Sie? Möchte es Ihnen Schaden zufügen?«
Statt auf seine Frage einzugehen, fixierte sie ihn mit eisiger Miene und ballte die Hände zu Fäusten.
»Wenn ich Ihnen helfen soll, muss ich das wissen.« Er fuhr sich über den Dreitagebart. »Warum haben Sie mich angerufen? Warum bin ich hier? Warum erzählen Sie mir das alles?«
Seine Gastgeberin verzog angewidert das Gesicht. »Damit Sie begreifen, was Sie mir antun!«
Die Worte hallten als verbaler Peitschenknall durchs Zimmer. Verpassten ihm links und rechts eine Ohrfeige und preschten als verstörende Kakofonie die Windungen seines Gehirns entlang.
Trotzdem dauerte es volle zwei Minuten, ehe sie tatsächlich sein Reaktionszentrum erreichten. Respektive den Teil seines Denkapparats, der für ein perplexes Kopfschütteln und ein nicht weniger verwirrtes »Bitte?« inklusive kugelrunder Pupillen sorgte.
Im Vergleich zu ihren aufgerissenen Lidern mit den riesigen schwarzen Kreisen wirkten sie allerdings winzig.
»Sie sind ein wirklich talentierter Schauspieler, Stephan!«
»Ich habe nicht die leiseste Ahnung, wovon Sie reden.«
»Sparen Sie sich die Scharade, Sie mieser Dreckskerl! Das Theaterstück ist aufgeflogen.«
Einer Rachegöttin gleich schnellte sie aus dem Sessel. Ihr gesamter Körper bebte und Tränen liefen ihr in Sturzbächen über beide Wangen.
»Sie stecken hinter diesem Spuk. Sie haben mir wochenlang vorgegaukelt, mein Mann sei zurückgekehrt. Sie versuchen, ... ja, was? ... mich in den Wahnsinn zu treiben? Mich aus dem Haus zu jagen? Und wozu? Geld? Perfides Vergnügen? Gott, es interessiert mich nicht! Ich bin am Ende! Fertig! Und Sie sitzen seelenruhig vor mir, hören sich das alles an und zucken nicht einmal mit der Wimper! Wie skrupellos muss man eigentlich sein?«
Aus ihren Augen schlug ihm buchstäblich der Hass entgegen. Ihr weiches Braun verwandelte sich in morastigen Schlamm und das Feuer, das aus ihnen glomm, schickte sich an, ihn zu verschlingen.
»Frau Wieland ... Lara ... ich ...«
»Halten Sie den Mund! Ich
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