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Zum Wilden Einhorn

Titel: Zum Wilden Einhorn Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robert Asprin
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hatte ihr den Rücken gekrümmt, so daß der Schnitt in ihrer Kehle rot klaffte.
    Möglicherweise hatte sich auch Samlane die Hals-
    Schlagader durchgeschnitten, aber zu wenig war von ihr übriggeblieben, um das noch feststellen zu können. Offenbar hatte sie das ganze Bettzeug mit Lampenöl getränkt und dann eine brennende Lampe an das Bett gehalten. Doch im Grunde genügte ein Blick auf das Stiefelmesser, Regli schreiend aus dem Haus zu treiben. Der hölzerne Griff war verbrannt, aber das Metallstück ragte aufrecht aus Samlanes geschwollenem Bauch.
    Samlor hatte einen Straßenjungen nach dem Heqt-Tempel gefragt. Das Kind hatte zunächst verwirrt geblinzelt, doch dann eifrig gerufen: »Oh - der Schwarze Turm!« Auf einer Bank vor einer Schenke gegenüber dem Tempel sitzend, glaubte Samlor nun zu verstehen, weshalb. Der Tempel war aus grauem Kalkstein gebaut und von quadratischem Grundriß, hatte jedoch die übliche Halbkugelkuppel. Der Obelisk, der sie krönte, war zu Ehren der Siege Alar hil Aspars, eines Söldnergenerals cirdonischer Abstammung, errichtet. Alar hatte viel für seine erwählte Stadt getan, war dabei aber auch selbst nicht zu kurz gekommen, und er hatte für seinen Ruhm durch ebensolche Verzierungen öffentlicher Gebäude gesorgt. Doch die Inschrift war durch die dicke Schicht, die sich nach dreihundert Jahren Holz- und Dungrauch auf dem Obelisken abgelagert hatte, nicht mehr zu entziffern. Aber wenn man ihn so betrachtete, war das Schlimmste, das man über den Heqt-Tempel sagen konnte, daß er häßlich, schmutzig und in einem schlechten Viertel war - doch soweit Samlor sehen konnte, traf dasselbe auch auf die meisten anderen Bauwerke in Freistatt zu.
    Als der Karawanenmeister einen tiefen Schluck aus seinem Becher nahm, trat eine Akoluthin aus dem Haupteingang des Tempels. Dreimal schwenkte sie ihren Räucherwedel und leierte ein Abendgebet für die uninteressierten Leute auf der Straße, ehe sie in den Tempel zurückkehrte.
    Der Wirt kam mit einer Laterne aus der Schenke. »Steh auf, Freundchen«, sagte er zu einem gutaussehenden jungen Mann, der auf der anderen Bank saß. »Die Bänke sind für Gäste.« Der junge Mann erhob sich, ging jedoch nicht. Der Wirt schob die Bank zur Tür, stieg darauf und hängte die Laterne an einen Haken unter dem Aushängeschild, das ein wildblickendes Einhorn schmückte.
    Statt sich wieder auf der Bank niederzulassen, auf der er zuvor gesessen hatte, nahm der junge Mann jetzt neben Samlor Platz. »Sieht nach nicht viel aus, nicht wahr?« sagte er zu dem Cirdonier und deutete mit dem Kopf auf den Tempel.
    »Und viel los scheint mit ihm auch nicht zu sein«, entgegnete Samlor. Er musterte den Einheimischen aus dem Augenwinkel und fragte sich, wieviel er wohl von ihm erfahren könnte. »Nicht eine Menschenseele hat ihn seit einer Stunde betreten.«
    »Kein Wunder«, antwortete der junge Mann. »Sie kommen gewöhnlich erst, wenn es dunkel ist. Und Ihr würdet sie von hier aus ohnehin nicht sehen.«
    »Nein?« Samlor nahm einen weiteren Schluck von seiner Sauermilch. »Sie betreten ihn durch den Hintereingang?«
    »Nicht nur das«, entgegnete der Einheimische. »Unter dem ganzen Viertel hier ist ein wahres Netz von Tunneln. Sie - die Heqt verehren wollen -gelangen von Schenken und Läden oder Wohnhäusern viele Blocks entfernt durch diese Tunnel zu ihr. Wer in Freistatt zu Heqt will, kommt verstohlen.«
    Samlors Linke schloß sich um sein Medaillon. »Das hörte ich schon einmal, und ich verstehe es nicht.
    Heqt bringt den Frühlingsregen - sie ist die Große Mutter, und nicht nur in Cirdon, sondern überall, wo man sie verehrt - außer in Freistatt. Was ist hier passiert?«
    »Ihr seid fromm, nehme ich an«; sagte der Jüngere mit einem Blick auf das Medaillon mit dem Gesicht Heqts.
    »Fromm, fromm«, brummte Samlor und verzog den Mund. »Ich bin Karawanenmeister, nicht Priester. Gewiß, bei den Mahlzeiten opfere ich gewöhnlich einen Schluck für sie - ohne sie wäre die Welt eine Wüste, und ich sehe so schon zuviel Wüste.«
    Das Gesicht des jungen Mannes war so bleich, daß es jetzt im Schein der Laterne gelb wirkte. »Es soll hier ein Schrein für Dyareela gestanden haben, ehe Alar ihn niederreißen und diesen Tempel erbauen ließ. Es dürfte nichts davon, übriggeblieben sein, außer vielleicht die Tunnel, und sie mögen schon alt gewesen sein, bevor die Stadt über ihnen entstand. Habt Ihr gehört, daß in den Krypten angeblich ein Dämon gehalten

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