Zurueck Aus Afrika
fragt meine Mutter, wie es denn Lketinga gehe und wie lange ich gedenke, Urlaub zu machen. Mir schnürt es den Hals zu, ich weiß nicht, wie ich es sagen soll, und so antworte ich: »Vielleicht drei bis vier Wochen.«
Ich nehme mir vor, ihr die ganze Tragödie später zu erzählen. Meine Mutter hat ja keine Ahnung, wie schlecht es mir wirklich geht, da ich ihr die Ereignisse in den letzten Monaten nicht schreiben oder mitteilen konnte. Mein Mann kontrollierte alles und ich musste jeden geschriebenen Satz übersetzen. Als wir an der Küste lebten, brachte er manchmal meine Briefe anderen Leuten, die etwas Deutsch konnten, damit sie sie übersetzten. Wenn er nicht einverstanden war, musste ich den Brief ins Feuer werfen. Schon wenn ich nur an zu Hause dachte, sah mich Lketinga misstrauisch an und fragte, als könnte er Gedanken lesen: »Why you are thinking at Switzerland, you stay here in Kenia and you are my wife.« Außerdem wollte ich meine Mutter nicht unnötig belasten, zumal ich ja lange immer noch an unsere gemeinsame Zukunft in Kenia geglaubt hatte.
Zu Hause empfängt uns lautes Hundegebell, das Napirai sehr erschreckt, weil sie das nicht kennt. In Kenia hat man ein eher distanziertes Verhältnis zu Hunden. Das Tier bellt wie verrückt und fletscht die Zähne.
»Er ist keine Fremden gewohnt und schon gar nicht Kinder, doch für die paar Tage wird es schon irgendwie gehen«, erklärt meine Mutter. Wieder spüre ich das beklemmende Gefühl bei dem Gedanken, dass wir hier bleiben müssen, bis alles geregelt ist. Und das kann länger dauern, da ich keine Niederlassungsgenehmigung mehr für die Schweiz besitze und somit nur als Touristin eingereist bin. Ich bin zwar in der Schweiz geboren und aufgewachsen, habe aber wie mein Vater einen deutschen Pass. Nach einem Auslandsaufenthalt, der länger als sechs Monate dauert, verliert man in der Schweiz die Aufenthaltsberechtigung. Ich will gar nicht daran denken, was alles auf uns zukommt.
Mein Gott, ich muss es ihr sagen! Im Moment habe ich aber nicht die Kraft, ihr die Freude zu nehmen und den wahren Grund unseres Besuches zu erklären. Sie ist einfach glücklich, ihre Tochter und die Enkelin endlich wieder zu sehen. Außerdem sind die beiden natürlich nicht eingerichtet für eine plötzliche Rückkehr der erwachsenen Tochter mit einem Kind. Immerhin lebe ich schon seit meinem 18. Geburtstag nicht mehr zu Hause.
Mit Napirai beziehe ich das kleine Gästezimmer und packe unsere wenigen Habseligkeiten aus. Ich besitze lediglich ein paar Kinderkleidchen und etwa 20 Stoffwindeln sowie eine Jeans und einen Pulli für mich. Alles andere habe ich in Kenia gelassen – Lketinga sollte ja glauben, dass ich zurückkomme. Er hätte mich sonst nie und nimmer mit unserer Tochter ausreisen lassen.
Vorsichtig bewege ich mich in dem schönen großen Haus, das mit gepflegten Möbeln, Pflanzen und Teppichen eingerichtet ist. Am meisten aber beeindruckt mich die Toilette, die ich nun an Stelle der stinkenden Plumpsklos benutzen kann. Meine Mutter fragt mich, was ich gerne essen möchte. Mir läuft beim Gedanken an einen saftigen Wurst-Käsesalat das Wasser im Mund zusammen und so äußere ich meinen Wunsch. Sie ist fast enttäuscht, da sie mir etwas Besonderes kochen wollte. Doch für mich ist dieses Essen nach vier Jahren Busch das Feinste, was ich mir vorstellen kann. Als ich bei den Samburu lebte, hatte ich nie die Gelegenheit, etwas derart Frisches zu essen. Außer Maismehl, manchmal Reis oder noch seltener ungewürztem Fleisch gab es ja nichts. Wie freue ich mich auf diesen Salat mit einem Stückchen frischem Brot!
Napirai ist inzwischen auch ganz neugierig und beobachtet aufmerksam die ihr unbekannten weißen Menschen. In der Zwischenzeit hat sie fast alle Bücherregale ausgeräumt und gräbt in der Pflanzenerde herum. All diese Dinge sind neu für sie.
Endlich gibt es Essen. Allein beim Anblick könnte ich vor Freude fast weinen. Wie viele Male hatte ich nachts von solch einer Mahlzeit geträumt! Jetzt kann ich sie einfach wünschen und nach einer halben Stunde steht sie vor mir.
Meine Mutter will natürlich gleich einen ausführlichen Bericht, wie mir mein neues Leben in Mombasa gefällt und wie mein Souvenirgeschäft am Diani-Beach angelaufen ist. Sie ist so froh, dass ich nach den drei Jahren im tiefsten Busch wieder etwas näher an der Zivilisation lebe. Nur versteht sie nicht, warum ich noch dünner bin als bei meinem letzten Besuch, da ich doch nun mehr
Weitere Kostenlose Bücher