Zwanzigtausend-Dollar-Date
ging Claire an ihren Vorratsschrank und nahm eine Dose mit Cayennepfeffer heraus.
Ihre Stammkunden würden entsetzt sein, aber sie würde es einfach ausprobieren. Weglaufen konnte sie immer noch.
Wegzulaufen lag ihr im Blut. Das war ihr bewusst. Ihre Mutter, ihr Vater und ihre Schwester – sie alle waren weggelaufen. Wenn es im Leben hart auf hart kam oder schwierig wurde, packten sie einfach ihre Sachen und gingen. Ihr Vater hatte damit angefangen. Er hatte seine Freundin und die beiden Töchter, gerade mal fünf Tage nachdem Courtney, Claires jüngere Schwester, geboren war, verlassen. Ein paar Jahre später war ihre Mutter seinem Beispiel gefolgt. Während ihrer gesamten Kindheit war sie regelmäßig für immer längere Zeitspannen verschwunden. Jedes Mal, wenn Claire sie gefragt hatte, warum sie bei ihren Großeltern bleiben musste, hatte sie ihr mit kernigen Sprüche geantwortet.
Irgendwann waren Claire und Courtney dann ganz allein auf sich gestellt gewesen. Sie lebten zwar bei ihren Großeltern, aber sie verließen sich nur aufeinander. Claire hatte geglaubt, dass das immer so bleiben würde. Mit fünfzehn war Courtney jedoch ein bisschen abgedreht. Sie wurde schwanger, lief von zu Hause weg und hatte auch sonst jede Menge Ärger. Claire hatte getan, was sie konnte, um ihrer jüngeren Schwester zu helfen. Aber sobald das Baby auf die Welt gekommen und adoptiert worden war, war letztlich auch Courtney einfach abgehauen. Das Letzte, was Claire von ihr gehört hatte, war, dass sie in Sacramento lebte. Also weniger als eine Stunde entfernt, aber anscheinend zu weit weg, um zu Besuch zu kommen oder auch nur anzurufen.
Claire hatte sich vor Langem selbst versprochen, dass sie nie vor ihren Problemen weglaufen würde, wie es ihre Mutter oder Schwester getan hatten. Warum also dachte sie jetzt daran? Bloß weil Matt wieder in ihrem Leben aufgetaucht war? Für einen kurzen Abend?
Er war der einzige Mann, der ihr je gesagt hatte, er liebe sie. Vor Jahren hatte er bewiesen, dass ihm diese Worte nichts bedeuteten. Eigentlich sollte es ihr inzwischen egal sein, dass er auf sie genauso wenig Rücksicht genommen hatte wie heutzutage auf seine unzähligen Model-Freundinnen. Was spielte es schon für eine Rolle, dass er für sie geboten hatte, um es seinem Bruder zu zeigen?
Bis Claire die letzten Donuts zum Abtropfen beiseitestellte und anfing, sie zu glasieren, war ihr Entschluss gefasst. Matt würde sein Date bekommen. Sie würde sich zwar wahnsinnig über ihn ärgern, aber sie würde mit ihm ausgehen. Wie konnte er es schließlich wagen, nach all der Zeit in ihr Leben zu platzen und sie zu ersteigern, nur um es Vic heimzuzahlen? Und sie als kleinen Nebeneffekt tief zu verletzen?
Ein kurzer Blick aus den Vorderfenstern des Diners sagte ihr, dass der Morgen dämmerte. Wenn sie nicht so verärgert gewesen wäre, wäre sie vielleicht auf die Straße gegangen, um den Sonnenaufgang über den Bergen zu beobachten.
Mit einem Mal bemerkte sie, dass direkt vor ihrem Diner ein Wagen parkte.
Sie neigte den Kopf zur Seite, um einen besseren Blick auf den Wagen zu erhaschen, der vorhin, als sie gekommen war, noch nicht dagestanden hatte. Weil sie selbst leider um vier aufstehen musste, um Donuts zu backen, konnte in ihren Augen nur ein Idiot so früh am Morgen grundlos unterwegs sein.
Das fremde Auto machte sie eher neugierig als nervös. In Palo Verde gab es praktisch keine Kriminalität, höchstens harmlose Streiche von Jugendlichen. Dieser Wagen da draußen konnte aber unmöglich einem Highschool-Studenten gehören. Es schien ein sehr schneller Wagen zu sein.
Claire sah auf die Uhr. Es waren noch gut vierzig Minuten Zeit, bis der Diner öffnete. Also zu früh für Jazz, ihren Koch, um zur Arbeit zu kommen. Und erst recht zu früh für Molly oder Olga, ihre Serviererinnen. Die beiden waren Studentinnen und erschienen immer erst in allerletzter Minute.
Außerdem parkten ihre Mitarbeiter immer hinter dem Diner. Und keiner fuhr einen roten Sportwagen. Eigentlich fuhr niemand aus der Stadt, den sie kannte, einen so teuren Wagen. Oder einen so protzigen …
„Neiiiiin.“
Claire ließ ihren Mixer stehen und eilte in den vorderen Gastraum. Vor dem Tresen blieb sie stehen und betrachtete, mit in die Hüften gestemmten Händen, den Wagen vor dem Fenster. Sie hatte richtig vermutet. Der Idiot war Matt Ballard.
Matt Ballard saß in seinem Lamborghini Murciélago Roadster und beobachtete durch die Fenster von „Cutie Pies“
Weitere Kostenlose Bücher