Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Bucht gegen die Südwinde schützte. Es fiel senkrecht in’s Meer ab und schäumte beim Wellenschlag. Hinter demselben vernahm man fürchterliches Gebrülle, wie etwa von einer Heerde Wiederkäuer.
»Schön, sagte Conseil, ein Concert von Stieren?.
– Nein, versetzte ich, von Wallrossen.
– Sie sind im Kampf?
– Im Kampf oder beim Spiel.
– Mit Erlaubniß, mein Herr, das müssen wir sehen.
– Ja wohl, Conseil.«
Wir überstiegen rasch die Felsen, indem wir über dem Glatteis der Steine häufig ausglitten. Manchmal fiel ich zu Boden, daß mich die Nieren schmerzten. Conseil, der vorsichtiger war oder fester auf den Füßen stand, wankte nicht, und hob mich auf mit den Worten:
»Wenn mein Herr die Güte haben wollte, die Beine auseinander zu spreizen, würde er besser das Gleichgewicht halten.«
Als wir auf dem höchsten Kamm des Vorgebirges ankamen, sahen wir auf eine ausgedehnte weiße Ebene, die mit Wallrossen bedeckt war, welche miteinander sich vergnügten. Es war Freudejauchzen, was wir gehört hatten.
Die Wallrosse gleichen den Robben an Körperbildung und Anordnung der Gliedmaßen. Doch mangeln ihrem Unterkiefer die Hundezähne und Schneidezähne, und ihre oberen bestehen aus zwei achtzig Centimeter langen Hauern, die an der Wurzel einen Umfang von dreiunddreißig Centimeter haben. Diese Zähne, welche aus gediegenem Elfenbein ohne Streifen bestehen, das härter wie das der Elephanten ist, und nicht so leicht gelb wird, sind eine sehr gesuchte Waare. Daher macht man auch in unbesonnenster Weise Jagd auf die Wallrosse, so daß sie bald völlig ausgetilgt sein werden; denn die Jäger, welche jährlich bei viertausend erlegen, machen ohne Unterschied auch die trächtigen Weibchen und die Jungen nieder.
Als wir an den merkwürdigen Thieren vorbei kamen, konnte ich sie nach Muße betrachten, denn sie ließen sich nicht stören. Ihr Fell war dicht und runzelig, von heller in’s Rothe spielender Farbe, mit kurzen, nicht dichten Haaren. Manche waren vier Meter lang. Ruhiger und weniger furchtsam, als ihre Gattungsgenossen im Norden, stellen sie nicht zur Hut ihrer Lagerstätten Schildwachen aus.
Nach dieser Musterung dachte ich auf den Rückweg. Es war schon elf Uhr, und wenn der Kapitän Nemo sich in günstiger Lage zum Beobachten befand, wollte ich bei der Verrichtung zugegen sein. Doch hatte ich keine Hoffnung, daß die Sonne an diesem Tage zum Vorschein kommen werde, da der mit gebrochenem Gewölk bedeckte Horizont sie unserem Anblick entzog.
Dennoch dachte ich auf den Rückweg. Ein schmaler Anberg führte uns auf den Gipfel der Felswand. Um halb zwölf langten wir an der Landungsstelle an. Das Boot hatte den Kapitän an’s Land gebracht. Er stand, von seinen Instrumenten umgeben, auf einem Basaltblock, den Blick unverwandt auf den Norden des Horizonts gerichtet, wo eben die Sonne ihre längliche Curve beschrieb.
Ich stellte mich neben ihn, und wartete still. Es kam die Mittagsstunde, und wie Tags zuvor kam die Sonne nicht zum Vorschein.
Eine schlimme Sache. Es war noch die Beobachtung zu machen, um unsere Lage aufzunehmen. Ward dies morgen nicht ausführbar, so mußten wir definitiv darauf verzichten.
In der That, es war eben der 20. März, und morgen, am Aequinoctialtage, sollte die Sonne, abgerechnet die Strahlenbrechung, auf sechs Monate vom Horizont verschwinden, und damit die lange Polarnacht beginnen. Seit dem Aequinoctium des September war sie am nördlichen Himmel aufgetaucht, um in langen Spirallinien bis zum 21. December aufzusteigen. Von diesem Zeitpunkt der Sommersonnenwende des Nordens wieder hinabsteigend sollte sie morgen ihre letzten Strahlen zusenden.
Ich theilte meine Besorgnisse dem Kapitän Nemo mit.
»Sie haben Recht, Herr Arronax, sagte er, wenn ich morgen die Sonnenhöhe nicht aufnehme, kann ich vor Ablauf von sechs Monaten die Operation nicht wieder vornehmen. Aber auch, weil der Zufall mich auf meiner Fahrt gerade am 21. März in diese Meere geführt hat, werde ich die Aufnahme sehr leicht machen, wenn zu Mittag die Sonne sichtbar sein wird.
– Warum, Kapitän?
– Ich brauche dazu nur mein Chronometer anzuwenden, erwiderte der Kapitän Nemo. Wenn morgen, den 21. März, um zwölf Uhr Mittags die Sonnenscheibe, die Strahlenbrechung in Betracht gezogen, genau vom nördlichen Horizont durchschnitten wird, so bin ich am Südpol.
– So ist’s wirklich, sagte ich. Doch ist die Behauptung nicht mathematisch genau zu nehmen, weil das Aequinoctium nicht nothwendig
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