Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Männer blieben im Boot.
Der Boden zeigte in weiter Ausdehnung einen Tuff von röthlicher Farbe, als bestehe er aus zerstampftem Ziegelstein. Von Schlacken, Lavarinnen, Bimssteinen bedeckt, ließ er seinen vulkanischen Ursprung nicht verkennen. An manchen Stellen bezeugten leichte Dünste von Schwefelgeruch, daß das innere Feuer noch fortdauernd thätig war. Doch sah ich von einer hohen Böschung aus im Umkreis von mehreren Meilen durchaus nichts von einem Vulkan. Bekanntlich hat James Roß in dieser Südpolgegend unter’m hundertsiebenundsechzigsten Meridian bei 77°32’ Breite die Krater des Erebus und Terror in voller Thätigkeit angetroffen.
Die Vegetation dieses öden Continents schien mir äußerst beschränkt. Die magere Flora dieser Gegend bestand aus einigen Flechten auf den schwarzen Felsen, gewissen mikroskopischen Pflänzchen, eine Art Zellen in quarzartigen Muscheln, langem, purpur-und carmoisinfarbigem Seetang auf Schwimmbläschen.
Das Ufer war besäet mit Mollusken, kleinen Muscheln aller Art, besonders von Clio’s mit länglichem, häutigem Leib, und einem aus zwei runden Lappen bestehenden Kopf. Ich sah auch Myriaden von den drei Centimeter langen, niedlichen Clio’s, von welchen der Wallfisch eine ganze Welt mit einem Male verschlingt. Diese reizenden Flossenfüßler, wahre Seeschmetterlinge, belebten die freien Gewässer am Uferrand.
Von Zoophyten fanden sich da unter Anderen in den höheren Schichten einige baumartige Korallengewächse, welche in diesen Meeren bis zur Tiefe von tausend Meter fortkommen, und eine große Anzahl diesem Klima eigenthümlicher Asterien und Seesterne.
Aber in der Luft war reiches Leben: Vögel verschiedener Gattungen flogen und flatterten da zu Tausenden, und betäubten mit ihrem Geschrei. Andere bedeckten die Felsen, sahen uns ohne Schüchternheit an, und drängten sich vertraulich um uns; es waren Pinguine, die im Wasser ebenso flink und beweglich sind, wie zu Lande unbeholfen und schwerfällig. Ferner bemerkte ich weiße Strandläufer mit kurzem Schnabel und einem rothen Ring um’s Auge; rußfarbige Albatros mit einer Flügelweite von vier Meter; riesenhafte Sturmvögel, und eine Menge kleinerer dieser Gattung, theils blau, theils weißlich mit braun eingefaßten Flügeln. Diese letzteren sind so ölhaltig, daß die Bewohner der Faroer-Inseln sie nur mit einem Docht versehen, um sie als Lampe zu gebrauchen.
Doch der Nebel stieg nicht auf, und um elf Uhr war noch keine Sonne zu sehen. Dies beunruhigte mich; denn sonst war eine Beobachtung nicht möglich, und ohne diese ließ sich nicht feststellen, ob wir am Pol angekommen seien.
Als ich wieder zu dem Kapitän Nemo kam, fand ich ihn schweigend wider einen Felsblock gelehnt und den Blick zum Himmel gerichtet. Er schien ungeduldig, mißgestimmt. Aber was war da zu machen? Der kühne und mächtige Mann konnte der Sonne nicht so gebieten, wie dem Meere.
Es kam der Mittag heran, ohne daß das Tagesgestirn einen Augenblick sichtbar wurde. Es ließ sich nicht einmal die Stelle erkennen, welche es hinter dem Nebelvorhang einnahm. Bald löste sich der Nebel in Schnee auf.
»Auf morgen«, sagte nur der Kapitän zu mir, und wir begaben uns mitten im Schneegestöber zum Nautilus zurück.
Während unserer Abwesenheit hatte man die Garne ausgesteckt, und ich betrachtete mit Interesse die Fische, welche man an Bord gezogen hatte. Die Südpolarmeere dienen einer großen Anzahl von Wanderfischen zur Zuflucht, welche aus den minder hohen Breitegraden entfliehen, um freilich den Meerschweinen und Robben unter die Zähne zu gerathen.
Der Schneesturm dauerte bis zum folgenden Morgen. Auf der Plateform konnte man unmöglich bleiben. Vom Salon aus, wo ich die Begebenheiten dieses Ausfluges auf das Polar-Festland notirte, vernahm ich das Geschrei der Sturmvögel und Albatros, die sich mitten im Unwetter ergötzten. Der Nautilus lag nicht stille; er fuhr längs der Küste noch etwa zehn Meilen weiter nach Süden, umgeben von dem halben Licht, welches die Sonne, indem sie am Rande des Horizonts streifte, hinter sich ließ.
Am folgenden Morgen, den 20. März, hatte der Schneefall aufgehört. Die Kälte war etwas strenger; das Thermometer zeigte zwei Grad unter Null. Der Nebel stieg auf, und ich konnte hoffen, daß an diesem Tage unsere Beobachtung stattfinden könne.
Da der Kapitän Nemo noch nicht erschienen war, so stieg ich mit Conseil in das Boot und setzte an’s Land. Der Boden war von gleicher Beschaffenheit,
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