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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bemerkte die Mannschaft des Avisoschiffes Alecton nordöstlich von Teneriffa ungefähr unter dem Breitegrade, wo wir uns jetzt befinden, ein Ungeheuer von Kalmar, das in diesen Gewässern schwamm. Der Commandant Bouguer näherte sich dem Thiere, griff es mit der Harpune und der Flinte an, ohne großen Erfolg, denn Kugel und Harpune drangen durch das Fleisch hindurch, das weich wie eine Gallerte ohne festen Kern ist. Nach mehreren fruchtlosen Versuchen gelang es den Leuten, eine Schlinge um den Körper der Molluske zu werfen. Diese Schlinge glitt bis zu den Schwanzflossen, wo sie festhielt. Darauf versuchte man das Thier an Bord zu ziehen, aber sein Gewicht war so bedeutend, daß es beim Hinausziehen seinen Schwanz im Stiche ließ, und ohne diese Zierde in den Wogen verschwand.
    – Das ist doch endlich eine Thatsache, sagte Ned-Land.
    – Eine unbestreitbare Thatsache, wackerer Ned. Man hat auch vorgeschlagen, diese Polypen ›Kalmar Bouguer‹ zu nennen.
    – Und wie groß war das Thier? fragte der Canadier.
    – Maß es nicht etwa sechs Meter? sagte Conseil, der am Fenster stehend, wiederholt die Spalten der Küstenwand besah.
    – Gerade soviel, erwiderte ich.
    – Waren nicht an seinem Kopf, fuhr Conseil fort, acht Fühlfäden, die sich wie eine Brut Schlangen über dem Wasser bewegten?
    – Gerade so.
    – Waren nicht seine vorstehenden Augen von ansehnlicher Größe?
    – Ja, Conseil.
    – Glich nicht sein Maul einem Papageischnabel, aber einem furchtbaren?
    – Wirklich, Conseil.
    – Nun denn! wenn’s meinem Herrn beliebt, versetzte ruhig Conseil, ist das nicht der Kalmar Bouguer, so ist’s doch ein Bruder desselben.«
    Ich sah Conseil an. Ned-Land stürzte an’s Fenster.
    »Das fürchterliche Thier!« rief er aus.
    Ich sah ebenfalls hin, und konnte mich einer Bewegung des Widerwillens nicht erwehren. Vor meinen Augen bewegte sich ein gräßliches Ungeheuer, das einen Platz in den Wunderlegenden verdiente.
    Es war ein Kalmar von kolossaler Größe, acht Meter lang. Derselbe bewegte sich äußerst schnell rückwärts nach dem Nautilus zu, mit starrem Blick aus enorm großen Augen von graugrüner Farbe. Seine acht Arme, oder vielmehr Füße, befanden sich am Kopfe – weshalb man dieser Gattung Thiere den Namen Kopffüßler giebt – waren von doppelter Größe, wie der Leib, und ringelten sich gleich den Schlangen am Haupt der Furien. Deutlich konnte man zweihundert schröpfkopfartige Warzen erkennen, welche an der inneren Fläche der Fühlarme in Form von halbrunden Kapseln saßen. Diese legten sich mitunter am Fensterglas an, so daß sie einen luftleeren Raum bildeten. Das Maul des Ungeheuers, – ein hornerner Schnabel von Gestalt wie der eines Papageies – öffnete und schloß sich vertical, wie eine Blechscheere. Aus dieser streckte es zischend eine Zunge von Hornsubstanz, welche ebenfalls mit mehreren Reihen spitzer Zähne besetzt war. Wie phantastisch! Eine Molluske mit Vogelschnabel! Sein spindelförmiger, in der Mitte aufgedunsener Leib bildete eine fleischige Masse, welche zwanzig-bis fünfundzwanzigtausend Kilogramm wiegen mußte. Die Farbe des Thieres blieb sich nicht gleich, wechselte äußerst schnell, wenn es gereizt war, wobei sie von Grauschwarzblau in’s Braunröthliche überging.
    Worüber gerieth die Molluske in Zorn? Ohne Zweifel über die Anwesenheit dieses Nautilus, der stärker war, und dem seine saugenden Arme oder seine Kinnladen nichts anhaben konnten. Und doch, was für Ungeheuer sind diese Polypen, welche Lebenskraft hat der Schöpfer ihnen zugetheilt, welche Kraft in den Bewegungen, denn sie sind im Besitz von drei Herzen.
    Der Zufall hatte mich mit diesem Kalmar in Berührung gebracht, und ich wollte nicht die Gelegenheit vorüber lassen, dieses Musterstück von Kopffüßlern sorgfältig zu studiren. Ich überwand den widerwilligen Ekel, welchen mir sein Anblick erregte, ergriff einen Bleistift und fing an es abzuzeichnen.
    »Es ist vielleicht das nämliche Thier des Alecton, sagte Conseil.
    – Nein, erwiderte der Canadier, denn jenes hat seinen Schwanz verloren, und dieses ist damit noch versehen!
    – Das gäbe keinen Grund ab, entgegnete ich, Arme und Schwanz erneuern sich bei diesen Thieren, und seit sieben Jahren hatte der Schwanz des Kalmar Bouguer wohl Zeit nachzuwachsen.
    – Uebrigens, versetzte Ned, ist’s nicht der nämliche, so ist er doch von derselben Art und Gattung!«
    Wirklich zeigten sich andere Thiere dieser Art vor dem Fenster. Ich zählte ihrer sieben.

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