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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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sich auf ihn stürzten, strömte das Thier einen Strahl schwarzer Flüssigkeit, welche es in einem Beutel an seinem Unterleibe absonderte, uns entgegen. Wir wurden dadurch wie blind. Als diese Wolke sich zerstreute, war der Kalmar verschwunden sammt meinem unglücklichen Landsmanne!
    Wie fielen wir nun wüthend über die Ungeheuer her! Geriethen außer uns: Zehn bis zwölf Polypen hatten die Plateform und die Seiten des Nautilus angefallen. Wir purzelten durch einander inmitten der verstümmelten Schlangen, die auf der Plateform in einer Lache von Blut und Tinte zappelten.
    Es schien, als wüchsen die klebrigen Fühlhörner wie die Köpfe der Hydra wieder auf. Ned-Land’s Harpune tauchte bei jedem Stoß in die graugrünen Augen der Kalmar und bohrte sie aus. Aber plötzlich wurde mein kühner Genosse von den Armen eines Ungeheuers, welchen er nicht ausweichen konnte, zu Boden geworfen.
    Ach! mein Herz wollte brechen vor Rührung und Grausen! Schon öffnete sich der fürchterliche Schnabel des Thieres über Ned-Land, um den Unglücklichen zu zerreißen. Ich stürzte zu seinem Beistande herbei. Aber der Kapitän Nemo war mir schon zuvor gekommen. Sein Beil verschwand zwischen den enormen Kinnbacken, und der Canadier, wie durch ein Wunder gerettet, richtete sich auf und tauchte seine Harpune tief bis in’s dreifache Herz des Polypen.
    »Diese Revanche war ich mir schuldig!« sagte der Kapitän Nemo zu dem Canadier.
    Ned verbeugte sich ohne Antwort.
    Dieser Kampf hatte eine Viertelstunde lang gedauert.
    Die Ungeheuer, überwältigt, verstümmelt, zu Tode getroffen, räumten uns endlich den Platz und verschwanden unter den Wellen.
    Der Kapitän Nemo, in Blut gebadet, unbeweglich neben dem Fanal, sah in’s Meer hinaus, welches einen seiner Gefährten verschlungen hatte, und dicke Thränen quollen aus seinen Augen.
Neunzehntes Capitel.
Der Golfstrom.
    Diese fürchterliche Scene des 20. April wird Niemand von uns je vergessen können. Ich habe sie unter’m Eindruck heftigster Gemüthsbewegung niedergeschrieben und später durchgesehen: meine Darstellung ist völlig genau, aber ausreichend als Schilderung nicht. Der Schmerz des Kapitän Nemo war unermeßlich. Nun hatte er schon den zweiten Genossen an Bord verloren. Und was für ein Tod! Zerdrückt, erstickt, zerfleischt von dem Ungeheuer, sollte er nicht auf dem stillen Friedhof des Korallenreichs seine Ruhestätte finden!
    Mir war das Verzweiflungsgeschrei des Unglücklichen herzzerreißend gewesen. Die Todesangst hatte seine Muttersprache verrathen. Ich hatte also einen Heimatgenossen unter der, dem Kapitän Nemo mit Leib und Seele verbundenen Mannschaft! War er der einzige Repräsentant Frankreichs in der aus verschiedenen Nationalitäten gemischten Gesellschaft? Ein ungelöstes Räthsel, das mich unablässig quälte.
    Der Kapitän Nemo zog sich in sein Zimmer zurück, und ich bekam ihn einige Zeit lang nicht zu sehen. Aber daß er traurig, verzweifelt, unentschlossen sein mußte, gab mir das Fahrzeug, dessen Seele er war, zu erkennen. Der Nautilus fuhr nicht mehr in einer bestimmten Richtung, sondern hin und her streifend, gleich einem Leichnam dem Spiel der Wellen überlassen. Seine Schraube war wieder frei, und doch gebrauchte er sie kaum, segelte auf’s Geradewohl.
    So verliefen zehn Tage. Erst am 1. Mai setzte der Nautilus, nachdem er die Lucayischen Inseln bis zur Mündung des Bahama-Canals in Sicht bekommen, entschieden in nördlicher Richtung seine Fahrt fort. Wir folgten darauf dem Laufe des Golfstromes, des größten Flusses im Meere, der seine Ufer, seine eigene Temperatur und Fische hat.
    Es ist in der That ein Fluß, der mitten im Atlantischen Ocean selbständig fließt, ohne daß sein Wasser mit dem des Ocean sich mischt. Dieser Fluß hat mehr Salzgehalt, als das umgebende Meer. Seine durchschnittliche Tiefe beträgt dreitausend Fuß, seine mittlere Breite sechzig Meilen. An manchen Stellen fließt er mit einer Schnelligkeit von vier Kilometer die Stunde. Der unveränderliche Umfang seiner Gewässer ist bedeutender, als der aller Flüsse der Erde.
    Die wahre Quelle des Golfstromes, wie sie der Commandant Maury erkannte, sein Ausgangspunkt, wenn man will, liegt im Golf von Gascogne. Hier fangen seine Gewässer, an Temperatur und Farbe noch schwach, sich zu bilden an. Er fließt südwärts längs der afrikanischen Küste, wärmt seine Fluthen in den Strahlen der heißen Zone, dann quer durch das Atlantische bis zum Cap San Roque an der brasilischen

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