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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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durchschnittlich fünfzehnhundert Fuß aufgestiegen. Das nächste Land war damals der Archipel der Lucayschen Inseln, die an der Meeresfläche wie ein Haufen Pflastersteine liegen. Steile Felsen ragten da hoch unter dem Meere empor, grad anstrebende Mauern aus angefressenen Steinblöcken in mächtigen Schichten aufgebaut, dazwischen schwarze, dunkle Löcher, wohin unsere elektrischen Strahlen nicht durchdringen konnten.
    Diese Felsen waren mit starkem Gebüsch überzogen, riesenhafte Laminarien und Seetang, ein wahres Spalier von Wasserpflanzen, einer Riesenwelt entsprechend.
    Die kolossalen Pflanzen führten uns, Conseil, Ned und mich, im Gespräch auf die Riesenthiere des Meeres.
    Etwa um elf Uhr machte mich Ned-Land auf ein fürchterliches Wimmeln in den großen Tangmassen aufmerksam.
    »Nun, sagte ich, da sind ja die wahren Polypenhöhlen, und es würde mich nicht eben wundern, wenn wir einige dieser Ungeheuer zu sehen bekämen.
    – Wie? sagte Conseil, Kalmar, bloße Kalmar, von der Classe der Kopffüßler?
    – Nein, sagte ich, Meerpolypen von riesenhafter Größe. Freund Ned hat sich ohne Zweifel geirrt, denn ich sehe nichts.
    – Das thut mir leid, versetzte Conseil. Ich möchte gerne so einem Ungeheuer in’s Angesicht schauen, von denen ich so viel reden hörte, und die ja selber Schiffe in den Abgrund ziehen können. Diese Ungethüme, man heißt sie Krak …
    – Krach genügt schon, sagte der Canadier ironisch.
    – Krakens, entgegnete Conseil, ohne sich um die Scherze seines Kameraden zu kümmern.
    – Es wird mich nie Jemand davon überzeugen, sagte Ned-Land, daß es solche Thiere giebt.
    – Warum nicht? erwiderte Conseil. Wir haben ja auch an den Narwal meines Herrn geglaubt.
    – Und wir haben nicht Recht gehabt, Conseil.
    – Allerdings! Aber andere glauben gewiß noch daran.
    – Vermuthlich, Conseil, aber ich für meinen Theil gebe ganz entschieden die Existenz solcher Ungeheuer nicht eher zu, als bis ich sie eigenhändig zerlegt habe.
    – Also, fragte mich Conseil, glaubt mein Herr nicht an die Riesenpolypen?
    – Wer den Teufel hat je daran geglaubt? rief der Canadier.
    – Gar manche Leute, Freund Ned.
    – Keine Fischer. Gelehrte, vielleicht!
    – Entschuldigen Sie, Ned. Fischer und Gelehrte!
    – Aber ich, sagte Conseil mit der ernstesten Miene von der Welt, erinnere mich wohl gesehen zu haben, wie ein großes Fahrzeug von den Armen eines Kopffüßlers unter’s Wasser hinab gezogen wurde.
    – Sie haben das gesehen? fragte der Canadier.
    – Ja, Ned.
    – Mit eigenen Augen?
    – Mit meinen eigenen Augen.
    – Wo, wenn’s beliebt?
    – Zu St. Malo, erwiderte Conseil, ohne sich irre machen zu lassen.
    – Im Hafen? fragte Ned-Land ironisch.
    – Nein, in einer Kirche, erwiderte Conseil.
    – In einer Kirche! schrie der Canadier.
    – Ja, Freund Ned. Ein Gemälde stellte den fraglichen Polypen dar.
    – Gut! sagte Ned-Land mit hellem Lachen. Herr Conseil hat mich zum Besten.
    – Wirklich, er hat Recht, sagte ich. Ich habe von diesem Gemälde reden hören; aber der dargestellte Gegenstand ist aus einer Legende genommen, und Sie wissen, was von Legenden in Hinsicht auf Naturgeschichte zu halten ist!
    – Aber was ist denn Wahres an den Wundergeschichten? fragte Conseil.
    – Nichts meine Freunde, wenigstens nichts über die Grenzen der Wahrscheinlichkeit hinaus, um bis zur Fabel oder Legende gesteigert zu werden. Ja, doch für die Einbildungskraft der Erzähler bedarf es, wo nicht einer Ursache, doch eines Vorwandes. Unleugbar giebt’s Polypen und Kalmar von riesenhafter Größe; doch sind sie immer nicht so groß als Wallfische. Unsere Fischer sehen deren häufig, welche fast zwei Meter lang sind. Die Museen zu Triest und Montpellier haben zwei Meter große Skelette von Polypen. Uebrigens hat ein solches Thier, das nur sechs Fuß groß ist, Fühlfäden von siebenundzwanzig Fuß Länge. Und das reicht schon hin, um ein furchtbares Ungeheuer daraus zu machen.
    – Fischt man sie noch heutiges Tages? fragte der Canadier.
    – Wenn die Seeleute sie nicht fischen, so sehen sie doch solche. Einer meiner Freunde, der Kapitän Paul Bos zu Havre, hat mir oft versichert, er habe in den Indischen Meeren ein solches Ungeheuer von kolossaler Größe gesehen. Aber eine Thatsache zum Erstaunen, die keinen Zweifel mehr über die Existenz dieser Riesenthiere läßt, ist vor einigen Jahren, 1861, vorgefallen.
    – Was für eine Thatsache? fragte Ned-Land.
    – Ich will die Begebenheit erzählen. Im Jahre 1861

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