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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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ungeachtet eines bis zur Wuth gediehenen Heimwehs, welches nur durch die Flucht zu heilen war.
    »Mein Herr, sagte er zu mir in diesen Tagen, es muß jetzt ein Ende haben, mein Gemüth muß davon frei werden. Ihr Nemo entfernt sich wieder vom Lande, und steuert dem Norden zu. Aber ich habe am Südpol satt bekommen, und werde zum Nordpol nicht folgen.
    – Was ist zu machen, Ned, da ein Entweichen in diesem Moment unausführbar ist?
    – Ich komme wieder auf meinen Gedanken, daß man mit dem Kapitän reden muß. Als wir in den Meeren Ihrer Heimat uns befanden, haben Sie geschwiegen; jetzt, da wir meiner Heimat nahe sind, will ich reden. In einigen Tagen wird der Nautilus auf der Höhe Neuschottlands sein, wo sich bei Neufoundland eine weite Bai öffnet, worin der St. Lorenz mündet, mein heimatlicher Fluß, woran meine Geburtsstadt liegt. Wenn ich daran denke, steigt mir die Wuth in’s Gesicht und meine Haare stehen zu Berge. Wissen Sie, mein Herr, ich stürze mich lieber in’s Meer! Ich bleibe nicht hier!«
    Der Canadier hatte offenbar die Geduld gänzlich verloren. Seine lebenskräftige Natur konnte sich nicht in die stets fortgesetzte Gefangenschaft fügen. Seine Gesichtszüge änderten sich, sein Charakter wurde täglich finsterer. Ich fühlte, wie er leiden mußte, denn auch mich befiel das Heimweh. Fast sieben Monate waren verflossen, ohne daß wir irgend etwas vom Lande gehört hatten. Ferner, die Absonderung des Kapitän Nemo, sein veränderter Humor, besonders seit dem Kampfe mit den Ungeheuern, seine Schweigsamkeit, – alles ließ mich die Dinge in ganz anderem Licht ansehen. Mein Enthusiasmus der ersten Tage war vorüber. Nur ein Flamländer wie Conseil konnte sich in diese Lage fügen.
    »Nun, mein Herr? fuhr Ned-Land fort, als ich nicht antwortete.
    – Nun, Ned, Sie wollen, daß ich den Kapitän Nemo um seine Absichten in Hinsicht auf uns befrage?
    – Ja, mein Herr.
    – Und das, obwohl er sie bereits zu erkennen gegeben hat?
    – Ja. Ich will nun ein für allemal darüber im Reinen sein. Sprechen Sie nur für mich allein, wenn Sie wollen.
    – Aber ich treffe ihn selten. Er meidet mich sogar.
    – Um so mehr Grund, ihn aufzusuchen.
    – Ich will ihm die Frage stellen, Ned.
    – Wann? fragte der Canadier dringend.
    – Wenn ich ihn treffen werde.
    – Herr Arronax, wollen Sie, daß ich ihn selbst aufsuche?
    – Nein. Lassen Sie mich gewähren. Morgen …
    – Heute noch, sagte Ned-Land.
    – Meinetwegen. Heute will ich ihn aufsuchen«, erwiderte ich dem Canadier, denn, wenn er selbst handelte, würde er gewiß alles verdorben haben.
    Ned ließ mich allein. Da ich zu fragen beschlossen hatte, so wollte ich unverzüglich damit in’s Reine kommen. Besser gethan, als noch zu thun.
    Ich begab mich auf mein Zimmer. Hier hörte ich den Kapitän auf und ab gehen. Diese Gelegenheit, ihn zu treffen, durfte ich nicht vorüber lassen. Ich klopfte an seine Thüre; keine Antwort. Ich klopfte abermals, drehte die Schlenke und die Thüre öffnete sich.
    Ich trat ein. Der Kapitän war über seinen Arbeitstisch gebeugt, er hatte mich nicht gehört. Entschlossen, nicht ohne ihn zu fragen wieder fort zu gehen, trat ich zu ihm heran. Er hob den Kopf rasch, runzelte die Stirn, und fuhr mich ziemlich barsch an.
    »Sie hier! Was wollen Sie von mir?
    – Mit Ihnen reden, Kapitän.
    – Aber ich bin beschäftigt, mein Herr, habe zu arbeiten. Gönnen Sie mir doch auch diese Freiheit, allein zu sein, welche ich Ihnen lasse.«
     

    Ein Dampfer im Seesturm. (S. 429.)
     
    Ein wenig ermuthigender Empfang. Aber ich war entschlossen alles anzuhören, um auf alles zu antworten.
    »Mein Herr, sagte ich kalt, ich habe mit Ihnen etwas zu reden, was sich nicht aufschieben läßt.
    – Und was, mein Herr? erwiderte er ironisch. Haben Sie eine Entdeckung gemacht, die mir entgangen ist? Sind Sie auf neue Geheimnisse des Meeres gekommen?«
    Unsere Rechnung stimmte bei weitem nicht überein. Aber ehe ich noch antworten konnte, zeigte er mir ein auf dem Tische liegendes Manuscript und sprach in ernstem Tone:
    »Hier, Herr Arronax, ein Manuscript in mehreren Sprachen. Es enthält eine Uebersicht meiner Studien über das Meer, und wenn Gott will, soll es nicht mit mir zu Grunde gehen. Dieses Manuscript, von mir unterzeichnet, sammt einem Abriß meiner Biographie, soll in ein kleines, unversenkbares Geräthe verschlossen werden. Wer von uns an Bord des Nautilus die anderen überlebt, soll dasselbe in’s Meer werfen, daß es die Wellen tragen,

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