Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
gehorchte. Der Manometer wies zehn Atmosphären. Aber das Ungeheuer »heizte« ohne Zweifel ebenfalls, denn es fuhr ganz leicht auch seine neunzehn und dreizehntel Meilen.
Welch ein Verfolgen! Die Gemüthsbewegung, welche mein ganzes Wesen ergriff, läßt sich nicht beschreiben. Einigemal konnte man dem Thiere nahe kommen.
»Wir bekommen es! wir bekommen es«, rief der Canadier. Dann, sowie er im Begriff war zu werfen, entwischte es mit einer Schnelligkeit, die mindestens auf dreißig Meilen die Stunde sich schätzen ließ. Und selbst bei unserer höchsten Schnelligkeit erlaubte es sich die Fregatte durch sein Spiel zu höhnen!
Um zwölf Uhr waren wir noch nicht weiter, als um acht. Nun entschloß sich der Commandant Farragut zu directeren Mitteln.
»Ah! sagte er, das Thier fährt schneller, als der Abraham Lincoln! Nun, wir wollen sehen, ob es seinen Spitzkugeln sich entziehen wird. Meister, Mannschaft an das Geschütz vornen!«
Die Kanone des Vorderkastells wurde unverzüglich geladen und aufgeprotzt. Die Kugel wurde abgeschossen, sie fuhr aber einige Fuß über dem Thiere weg, das eine halbe Meile entfernt war.
»Ein Anderer, der’s besser versteht! rief, der Commandant, und fünfhundert Dollars, wer die höllische Bestie trifft!«
Ein alter graubärtiger Kanonier mit ruhigem Blick, kalten Gesichtszügen, trat hinzu, richtete und visirte lange. Ein tüchtiger Schuß, und jubelndes Hurrah der Mannschaft.
Die Kugel traf, aber nicht regelrecht; sie glitt an der runden Fläche ab und fuhr zwei Meilen weiter in’s Meer.
»Teufel! schrie der Kanonier wüthend, der Schuft ist sechs Zoll dick gepanzert!
– Verdammt!« rief der Commandant Farragut.
Die Jagd ging von Neuem an, und der Commandant sprach zu mir:
»Ich verfolge weiter, und sollte die Maschine platzen!
– Ja, erwiderte ich, und Sie haben Recht!«
Man mochte hoffen, das Thier werde ermüden, und nicht so gleichgiltig sein, wie eine Dampfmaschine. Aber damit war’s nichts. Es verflossen Stunden ohne alles Zeichen von Ermüdung.
Uebrigens muß man anerkennen, daß der Abraham Lincoln mit unermüdlicher Ausdauer kämpfte. Ich schätze, daß er an dem unseligen 6. November mindestens fünfhundert Kilometer lief! Aber es kam die Nacht und hüllte das unruhige Meer in Dunkel.
In dem Augenblick glaubte ich, unsere Expedition sei zu Ende, und wir bekämen das Thier nicht mehr zu Gesicht. Ich irrte. Um zehn Uhr fünfzig Minuten kam die elektrische helle Stelle wieder zum Vorschein, drei Meilen von der Fregatte, so rein und stark, wie in der vorigen Nacht.
Der alte Kanonier. (S. 47.)
Der Narwal schien unbeweglich. Vielleicht schlief er vor Ermüdung, und wiegte sich auf den Wogen? Das wollte der Commandant benutzen.
Die Schwimmer bugsiren sich. (S. 52.)
Er ertheilte seine Befehle. Der Abraham Lincoln fuhr mit schwachem Dampf vorsichtig, um seinen Gegner nicht zu wecken. Man trifft nicht selten die Wallfische auf offener See in tiefem Schlaf, und greift sie dann mit Vortheil an. Ned-Land hatte manchen während des Schlafs harpuniert. Der Canadier begab sich wieder auf seinen Posten am Bugspriet.
Die Fregatte näherte sich geräuschlos, hielt zwei Kabellängen weit von dem Thier an. Man hörte an Bord keinen Athemzug, tiefes Schweigen herrschte auf dem Verdeck. Wir befanden uns keine hundert Fuß von dem glühenden Brennpunkt, dessen Glanz zunahm und die Augen blendete.
In dem Augenblick sah ich am Geländer des Vorderkastells Ned-Land über mir, wie er mit starker Hand die fürchterliche Harpune schwang. Kaum zwanzig Fuß von dem Thiere entfernt, schleuderte er mit kräftigem Arm seine Waffe; ich hörte laut das Anprallen derselben, als habe sie einen harten Körper getroffen.
Die elektrische Helle erlosch plötzlich, und zwei enorme Wasserstrudel entluden sich auf das Verdeck der Fregatte gleich einem reißenden Strom, warf die Mannschaft zu Boden, zerriß die Bindseile. –
Ein entsetzlicher Stoß schleuderte mich über die Sente in’s Meer.
Siebentes Capitel.
Ein Wallfisch unbekannter Art.
So sehr mich dieser unerwartete Fall überraschte, behielt ich doch eine klare Vorstellung dessen, was ich empfand.
Ich wurde anfangs etwa zwanzig Fuß tief hinabgeschleudert. Ein guter Schwimmer, verlor ich über dem Untertauchen nicht den Kopf. Zwei kräftige Stöße mit den Fersen brachten mich wieder zur Oberfläche empor.
Vor Allem suchten meine Augen die Fregatte? Hatte die Mannschaft mein Verschwinden gemerkt? Hatte der Abraham
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