Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Sie mir, welche Sie, wenn Sie dieselbe unbescheiden finden, nicht zu beantworten brauchen. Die Elemente, welche Sie verwenden, um diesen wunderbaren Agenten hervorzubringen, müssen sich doch bald verbrauchen. Wie ersetzen Sie z.B. Zink, da Sie ohne Verbindung mit der Erde sind?
– Ich will Ihre Frage beantworten, erwiderte der Kapitän Nemo. Für’s Erste will ich Ihnen sagen, daß es auf dem Grund des Meeres Zink-, Eisen-, Silber-, Gold-Minen giebt, deren Ausbeutung gewiß sehr ausführbar wäre. Aber ich habe von diesen Metallen der Erde nichts entliehen, und von dem Meer selbst die Mittel für Erzeugung meiner Elektricität gewinnen wollen.
– Von dem Meer?
– Ja, Herr Professor, und an Mitteln fehlt’s da nicht. Ich hätte zwar, indem ich Drähte aus verschiedenen Tiefen mit einander in Verbindung setzte, Elektricität aus der Verschiedenheit der Temperaturen erzielen können, aber ich zog ein praktischeres System vor.
– Und welches?
– Sie kennen die Bestandtheile des Meerwassers. Von tausend Gramm sind sechsundneunzig und ein halb Hunderttheile Wasser, etwa zwei und zwei Drittel Chlorsodium; sodann in geringer Quantität Chlor-Magnesium und salzsaures Kali, Brom-Magnesium, schwefelsaures Magnesium, schwefelsaurer und kohlensaurer Kalk. Sie sehen also, daß Chlorsodium in ansehnlichem Verhältniß sich dabei befindet. Dieses Sodium nun ziehe ich aus dem Wasser und bereite daraus meine Elemente.
– Sodium?
– Ja, mein Herr. Mit Merkur vermischt, bildet es ein Amalgam, welches bei den Bunsen’schen Elementen das Zink ersetzt. Merkur verbraucht sich nie; nur das Sodium wird verzehrt, und dieses gewinne ich aus dem Meer unmittelbar. Ich bemerke Ihnen weiter, daß die Sodiumsäulen für weit energischer anzusehen sind, und daß ihre elektrische Bewegkraft doppelt so stark ist als bei den Zinksäulen.
– Ich begreife wohl, Kapitän, die Vortrefflichkeit des Sodiums in den Verhältnissen, worin Sie sich befinden. Das Meer enthält es. Gut. Aber man muß es fabriciren, herausziehen. Wie bewerkstelligen Sie das? Ihre Säulen könnten offenbar dazu dienen; aber irre ich nicht, so würde der für den elektrischen Apparat erforderliche Aufwand von …
Die gewonnene Quantität überwiegen. Es würde dann der Fall eintreten, daß Sie für die Erzeugung desselben mehr verbrauchten, als Sie dadurch erzeugen!
– Herr Professor, ich gewinne es auch nicht mittelst der Säule, und verwende ganz einfach die Wärme der Steinkohle.
– Steinkohle? sagte ich bedeutsam.
– Sagen wir Meerkohle, wenn Sie wollen, erwiderte der Kapitän Nemo.
– Und Sie können unterseeische Kohlenminen ausbeuten?
– Herr Arronax, Sie sollen sehen, wie ich’s anfange. Ich bitte nur um ein wenig Geduld, denn Sie haben ja Zeit es geduldig abzuwarten. Behalten Sie nur im Sinn: Dem Meer verdank’ ich Alles; es verschafft die Elektricität, und diese gewährt dem Nautilus Wärme, Licht, Bewegung, kurz sein Leben.
– Aber doch nicht die Luft, welche Sie einathmen?
– O! ich könnte die zu meinem Verbrauch nöthige Luft fabriciren, aber es ist nicht nöthig, weil ich, wenn’s mir beliebt, an die Oberfläche des Meeres aufsteigen kann. Jedoch, kann mir auch die Elektricität nicht die zum Einathmen erforderliche Luft liefern, so treibt sie wenigstens gewaltige Pumpen, welche sie in besondere Behälter einpressen, wodurch ich in den Stand gesetzt bin, meinen Aufenthalt in der Tiefe nach Bedürfniß oder nach Belieben zu verlängern.
– Kapitän, erwiderte ich, ich kann nur bewundern. Offenbar haben Sie bereits gefunden, was die Menschen auch auf einmal finden werden, die wahre dynamische Kraft der Elektricität.
– Ich weiß nicht, ob sie dieselbe entdecken werden, erwiderte kalt der Kapitän Nemo. Wie dem aber auch sein mag, Sie kennen bereits die erste Anwendung, welche ich von diesem schätzbaren Agenten gemacht habe. Er leuchtet uns so gleichmäßig und andauernd, wie das Sonnenlicht nicht. Jetzt, sehen Sie diese Uhr; sie ist elektrisch, und geht so regelmäßig, wie die besten Chronometer. Ich habe sie, wie die italienischen Uhren in vierundzwanzig Stunden getheilt, denn für mich existirt weder Nacht noch Tag, noch Sonnen-oder Mondlicht, vielmehr nur dieses künstlich erzeugte Licht, welches ich bis auf den Meeresgrund mit mir nehme! Sehen Sie, in diesem Augenblick ist’s zehn Uhr Vormittags.
– Ganz richtig.
– Eine andere Anwendung der Elektricität. Dieses Zifferblatt vor unseren Augen giebt mir die
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