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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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nach Belieben näher oder ferner rücken konnte, dienten beim Lesen zum Auflegen der Bücher. In der Mitte stand ein großer Tisch, der mit Brochuren bedeckt war, worunter sich auch einige bereits alte Zeitschriften befanden. Dies harmonische Ganze war von elektrischem Licht bestrahlt, das aus vier glattpolirten Kugeln, die im Plafond zur Hälfte eingelassen waren, herabfiel. Ich sah mich mit wahrer Bewunderung in dem so sinnreich eingerichteten Saale um.
    »Kapitän Nemo, sagte ich zu meinem Wirth, das ist eine Bibliothek, die manchem Palast auf der Erde Ehre machen würde; ich bin wahrhaft in Staunen versetzt bei dem Gedanken, sie auf dem Meeresgrund zu finden.
    – Wo fände man einen stillern, ungestörtern Aufenthalt, Herr Professor? erwiderte der Kapitän Nemo. Finden Sie im Studirzimmer Ihres Museums eine so vollständige Ruhe?
    – Nein, mein Herr; und zugleich ist’s sehr ärmlich gegen das Ihrige. Sie haben da wohl sechs-bis siebentausend …
    – Zwölftausend, Herr Arronax. Diese einzigen Bande fesseln mich noch an die Erde. Aber seit dem Tage, wo mein Nautilus zum erstenmal unter die Gewässer tauchte, existirt die Welt für mich nicht mehr. An jenem Tage habe ich meine letzten Bücher, meine letzten Brochuren und Zeitschriften gekauft, und seitdem lebe ich in dem Gedanken, daß die Menschheit nichts weiter gedacht und geschrieben hat. Diese Bücher, Herr Professor, stehen übrigens zu Ihrer Verfügung, um nach Belieben davon Gebrauch zu machen.«
    Ich dankte dem Kapitän und trat näher zu den Büchern heran. Es waren da aus der Moral und Literatur, den exacten Wissenschaften, Schriften aus allen Sprachen in Menge, aber aus der Staatswirthschaft sah ich nicht ein einziges; sie schienen an Bord strenge geächtet. Alle diese Bücher waren, ohne Unterschied aus welcher Sprache, nach Rubriken geordnet; ein Beweis, daß der Kapitän des Nautilus die Bände, wie er sie zufällig griff, geläufig lesen konnte.
    Unter diesen Büchern bemerkte ich die Meisterwerke alter und neuer Literatur, d.h. alles Schönste, was der menschliche Geist von Homer bis auf die jetzt lebenden Koryphäen geliefert. Aber wissenschaftliche Werke waren darin vorzugsweise bedacht: Mechanik, Ballistik, Meteorologie, Geographie, Geologie etc. waren dabei nicht minder vertreten, als die gesammte Naturgeschichte, und ich sah wohl, daß ihnen der Kapitän vorzugsweise seine Studien widmete. Darunter fanden sich denn auch die beiden Bände, welche mir eine so gute Aufnahme beim Kapitän Nemo verschafften; und aus einem andern Werke von Jos. Bertrand, welches, wie mir bekannt war, im Laufe des Jahres 1865 ausgegeben wurde, konnte ich entnehmen, daß die Ausstattung des Nautilus nicht später vorgenommen wurde, daß also der Kapitän Nemo sein unterseeisches Leben seit höchstens drei Jahren führte. Der Zeitpunkt ließ sich wohl durch weitere Forschung, wofür ich ja Muße genug hatte, noch genauer feststellen. Für jetzt galt es, die Wunder des Nautilus zu besichtigen.
    »Mein Herr, sagte ich zum Kapitän, ich danke Ihnen, daß Sie mir diese Bibliothek zur Verfügung stellen. Sie enthält kostbare Schätze der Wissenschaft, welche ich benützen will.
    – Dieser Saal, sagte der Kapitän, ist nicht blos eine Bibliothek, sondern auch ein Rauchzimmer.
    – Ein Rauchzimmer? rief ich aus. Also raucht man an Bord?
    – Allerdings.
    – Dann muß ich wohl glauben, mein Herr, daß Sie noch in einiger Verbindung mit der Havanna stehen.
    – Durchaus nicht, erwiderte der Kapitän. Nehmen Sie diese Cigarre, Herr Arronax, und wenn sie schon nicht aus der Havanna kommt, werden Sie doch, wenn Sie Kenner sind, damit zufrieden sein.«
    Ich nahm die Cigarre, welche einer Londres ähnlich geformt war, aber aus Goldblättern zu bestehen schien. Ich zündete sie an einem kleinen Brasero an, das ein elegantes Fußgestell von Bronce hatte, und fing an mit dem Wonnegefühl eines Schmauchers, der seit zwei Tagen das Rauchen entbehrt hatte, zu dampfen.
    »Das ist vortrefflich, sagte ich, aber Tabak ist’s nicht.
    – Nein, erwiderte der Kapitän, dieser Tabak kommt weder aus der Havanna, noch dem Orient. Es ist eine Art nicotinhaltiges Seegras, das mir das Meer, etwas sparsam, liefert. Vermissen Sie die Londres, mein Herr Professor?
    – Kapitän, von jetzt an mag’ ich sie nicht mehr.
    – So rauchen Sie davon nach Belieben, und ohne über den Ursprung derselben sich Gedanken zu machen. Sie sind von keiner Regie controlirt, und sind darum nicht minder gut,

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