Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
denk’ ich.
– Im Gegentheil.«
Nun öffnete der Kapitän Nemo eine Thür gegenüber der, durch welche wir in die Bibliothek gekommen waren, und wir traten in einen sehr großen, glänzend erleuchteten Saal. Er war vierseitig, mit abgestumpften Ecken, zehn Meter lang, sechs breit, fünf hoch. Ein erleuchteter, mit leichten Arabesken verzierter Plafond spendete helles und mildes Licht auf alle Merkwürdigkeiten dieses Museums. Denn es war wirklich ein Museum, worin eine einsichtige und freigebige Hand alle Schätze der Natur und Kunst vereinigt hatte, sammt allerlei künstlerischem Beiwerk, welches das Atelier eines Malers kennzeichnet.
Dreißig Meisterwerke in gleichförmigen Rahmen, um glänzende Panoplien gruppirt, zierten die im strengen Styl tapezierten Wände. Ich sah die Gemälde von höchstem Kunstwerth, die in den Sammlungen und Ausstellungen Bewunderung erregt hatten; und in den Ecken des prachtvollen Museums standen köstliche Statuen in Marmor und Bronce, Nachbildungen der schönsten antiken Muster.
»Herr Professor, sagte darauf der Commandant des Nautilus, entschuldigen Sie die in diesem Salon herrschende Unordnung.
Bibliothek. (S. 85).
– Mein Herr, erwiderte ich, ohne daß ich weiß, wer Sie sind, darf ich wohl einen Künstler in Ihnen erkennen?
– Einen Kunstliebhaber höchstens, mein Herr. Vormals machte mir’s Freude, diese schönen Werke der Menschenhand zu sammeln. Ich suchte begierig und unermüdlich, und es gelang mir einiges Werthvolle zusammenzubringen.
Der große Salon. (S. 87.)
Dies meine letzten Erinnerungen an die Erde, die nun für mich todt ist.
– Und diese Musiker? sagte ich, und wies auf die Partituren von Weber, Rossini, Mozart, Beethoven, Haydn, Meyerbeer, Herold, Wagner, Auber u.A., welche auf einem stattlichen Orgel-Piano lagen.
– Diese Musiker, erwiderte der Kapitän Nemo, gehören gleich Orpheus einer entschwundenen Zeit, und ich bin todt, eben so wie die, welche sechs Fuß tief unter der Erde ruhen!«
Der Kapitän, in tiefe Gedanken versunken, vergaß seine Umgebung, indeß ich fortfuhr, die Schätze und Merkwürdigkeiten des Salons zu mustern.
Es fanden sich da Seltenheiten aus dem Naturreiche von bedeutendem Werth, hauptsächlich Pflanzen, Muscheln und andere Erzeugnisse des Meeres, die ohne Zweifel der Kapitän persönlich gesammelt hatte. Mitten im Salon sah man in elektrischer Beleuchtung einen Springbrunnen mit einem Becken aus einer einzigen Muschel von einer der größten Molluskenarten, deren sein verzierter Rand sechs Meter Umfang hatte, und die demnach größer war, als die Riesenweihkessel in der Kirche St. Sulpice zu Paris, welche einst die Republik Venedig dem König Franz I. zum Geschenk machte.
Um dieses Becken herum waren unter Glasbehältern mit Kupferbeschlag die kostbarsten Meeresproducte mit Etiketten geordnet, welche je den Blicken der Naturforscher sich darboten. Man begreift, welche Freude für den Professor der Naturgeschichte.
Die Zoophyten boten höchst merkwürdige Musterstücke aus den Gruppen der Polypen und Echinodermen dar. Aus der Klasse der Mollusken sah man so äußerst kostbare Stücke, daß sie einen etwas erregbaren Conchyliogen außer sich bringen konnten. – Seitwärts in besonderen Fachbehältern lagen die schönsten Perlenschnüre gereiht, deren Feuer im elektrischen Licht spielte, rosenfarbene, grüne, gelbe, schwarze, blaue, seltene Producte verschiedener Mollusken aller Meere. Manche dieser Perlen waren von der Größe eines Taubeneies, und kamen an Werth den berühmten des Schahs von Persien und des Imams von Mascate gleich. Den Werth dieser Sammlung zu beziffern war fast unmöglich.
Während ich mich fragte, woher dem Kapitän die Summen für solche Liebhabereien geflossen sein konnten, überraschte er mich durch die Aeußerung:
»Sie mustern meine Muscheln, Herr Professor. Sie können in der That einem Naturforscher Freude machen; für mich haben sie noch den besondern Reiz, daß ich sie alle eigenhändig gesammelt habe; und es ist kein Meer, das ich nicht dafür durchforscht hätte.
– Ich begreife, Kapitän, diese Freude, sich inmitten solcher Schätze zu ergehen. Sie haben sich selbst dieselben gesammelt. Eine gleiche Sammlung von Seeproducten findet sich in keinem Museum Europa’s. Aber wenn ich dafür meine Bewunderung erschöpfe, was bleibt mir dann noch für das Schiff, worauf sie sich befindet? Ich will zwar nicht in Ihre Geheimnisse dringen; doch gestehe ich, daß die
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