Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
Vom Netzwerk:
empor, riesenhafte Blöcke über einander gethürmt, ein ungeheurer steiler Granitabhang mit dunkeln Grotten, der aber keinen Aufgang, auf dem man irgend fortkommen konnte, darbot.
    Der Kapitän Nemo machte plötzlich Halt. Mit einem Wink hemmte er unsere Schritte, und so sehr ich gewünscht hätte, über diese Gebirgswand hinaus zu kommen, mußte ich mich darein ergeben. Die Besitzungen des Kapitäns Nemo hatten hier ein Ende. Darüber hinaus wollte er nicht.
    Es begann also der Rückweg. Der Kapitän Nemo hatte sich wieder an die Spitze seiner kleinen Schaar gestellt und schritt sicher, ohne sich zu besinnen, voran. Ich glaubte wahrzunehmen, daß wir nicht den nämlichen Weg einschlugen, um wieder zum Nautilus zu kommen. Dieser neue, sehr steile und folglich mühevolle Weg brachte uns rasch in die Nähe der Meeresoberfläche. Doch geschah diese Rückkehr in die oberen Schichten nicht so rasch, daß der Druck von Oben zu stark gewesen wäre, was in unserem Organismus bedenkliche Störungen hätte veranlassen und innere Verletzungen verursachen können, wie sie den Tauchern so nachtheilig sind. Sehr bald kam wieder das Sonnenlicht zum Vorschein und nahm zu, und da die Sonne bereits niedrig stand, so wurden durch die Brechung der Strahlen die Gegenstände abermals mit einem bunten Rand umgeben.
    Bei zehn Meter Tiefe wandelten wir inmitten eines Schwarms kleiner Fische aller Art, die zahlreicher waren, als die Vögel in der Luft, auch weit beweglicher; aber ein Wildpret, das eines Schusses würdig gewesen wäre, war uns noch nicht aufgestoßen.
    In dem Augenblick sah ich, wie der Kapitän Nemo lebhaft die Büchse anlegte und auf einen beweglichen Gegenstand im Gebüsch zielte. Der Schuß ging los, ich hörte ein schwaches Pfeifen, und ein Thier fiel in einer Entfernung von einigen Schritten nieder.
    Es war ein prächtiger Seeotter, das einzige vierfüßige nur im Meer lebende Thier. Dieses war ein und einen halben Meter lang. Sein Fell, oben braun und unten silberfarben, bildet auf dem russischen und chinesischen Pelzmarkt einen der geschätztesten und gesuchtesten Artikel, der mindestens zweitausend Francs gilt. Ich bewunderte das merkwürdige Säugethier mit zugerundetem Kopf und kurzen Ohren, runden Augen, weißen Schnauzborsten, wie die Katzen haben, handförmigen Füßen mit Krallen und buschigem Schwanz. Dieser kostbare Fleischfresser, von den Fischern aufgetrieben und verjagt, wird äußerst selten, hat sich besonders in die nördlichen Gegenden des Stillen Oceans geflüchtet, wo die Gattung wahrscheinlich bald aussterben wird.
    Der Genosse des Kapitäns Nemo nahm das Thier auf seine Schulter, und wir setzten unsern Weg fort.
    Eine Stunde lang hatten wir eine Sandebene vor uns. Sie erhob sich oft bis auf zwei Meter unter dem Wasserspiegel. Dann sah ich unser Bild in klarem Wiederschein umgekehrt gezeichnet, und über uns zeigte sich eine ganz gleiche Truppe, die unsere Bewegungen abspiegelte, so wie wir gingen, nur Kopf unten, Füße in der Luft.
    Ich hatte damals Gelegenheit, einen der schönsten Schüsse zu beobachten, die je einem Jäger das Herz erfreuten. Ein großer Vogel mit weit ausgespannten Flügeln, der sehr deutlich zu erkennen war, streifte mit schwebenden Fittigen nahe über dem Wasser. Des Kapitäns Genosse legte auf ihn an und schoß ihn, als er einige Meter über den Wogen sich befand. Getroffen sank das Thier herab, daß der gewandte Jäger es greifen konnte und mit sich nahm. Es war ein Albatros der schönsten Sorte.
    Dieser Zwischenfall unterbrach nicht unsern Weg. Zwei Stunden lang gingen wir bald auf Sandflächen, bald auf Wiesen von Meergras, worauf schwer fortzukommen war. Offen gestanden, ich war erschöpft, als ich einen schwachen Lichtschein gewahrte, der eine halbe Meile weit durch die dunkeln Gewässer drang. Es war die Leuchte des Nautilus. Vor Ablauf von zwanzig Minuten mußten wir an Bord sein, wo ich wieder aufathmen konnte, denn mein Behälter schien mir eine Luft mit wenig Sauerstoff zu gewähren.
    Aber es begegnete uns noch ein anderes Ereigniß, das uns ein wenig aufhielt.
    Ich war etwa zwanzig Schritt zurück geblieben, als ich den Kapitän Nemo hastig auf mich zukommen sah. Mit kräftiger Hand bog er mich nieder zur Erde, während sein Genosse es ebenso mit Conseil machte. Anfangs wußte ich nicht recht, was ich von dem barschen Anfall denken sollte, aber ich beruhigte mich, als ich sah, daß der Kapitän sich neben mich legte und sich unbeweglich hielt.
     

    Halt! (S.

Weitere Kostenlose Bücher