Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
gab der Kapitän Nemo das Zeichen zum Halt. Ich meines Theils war wohl zufrieden damit, und wir streckten uns nieder. Dieses Ausruhen schien mir köstlich, nur mangelte uns die Unterhaltung, denn das Anreden war so unmöglich als das Erwidern. Ich näherte nur meinen dicken Kupferkopf dem Conseil’s. Ich sah bei diesem wackern Jungen die Augen vor Befriedigung glänzen, und um es kund zu geben, machte er in seiner Schale höchst komische Bewegungen.
Nach einem vierstündigen Spaziergang war ich sehr erstaunt, daß ich nicht heftigen Hunger empfand. Woher diese Stimmung des Magens kam, konnte ich nicht sagen, dagegen spürte ich eine unüberwindliche Neigung zum Schlafen, wie das bei allen Tauchern der Fall ist. Daher schlossen sich auch alsbald meine Augen hinter ihrem dichten Glas, und ich sank in eine unwiderstehliche Schlaftrunkenheit, welche bisher nur durch die Bewegung des Gehens zu bekämpfen möglich war. Der Kapitän Nemo nebst seinem kräftigen Genossen gaben uns hingestreckt im klaren Wasser das Beispiel zum Schlafen.
Wie lange ich in diesem Schlummer lag, konnte ich nicht schätzen; aber als ich aufwachte, schien mir die Sonne schon sich zum Horizont zu neigen. Der Kapitän Nemo war bereits aufgestanden, und ich fing an die Glieder zu strecken, als eine unerwartete Erscheinung mich rasch auf die Beine brachte.
Einige Schritte weit war eine riesenhafte, einen Meter hohe Meeresspinne, die bereit mich zu überfallen mit schielenden Augen mich ansah. Obwohl mein Skaphanderkleid dick genug war zum Schutz gegen die Bisse dieses Thieres, so konnte ich mich doch des Grauens nicht erwehren. In dem Augenblick erwachten Conseil und der Matrose des Nautilus. Der Kapitän Nemo zeigte diesem das häßliche Thier; er streckte es mit einem Kolbenschlag augenblicklich nieder, und ich sah die fürchterlichen Füße des Ungeheuers in gräßlichen Zuckungen sich winden.
Dieses Begegnen erregte bei mir den Gedanken, daß andere furchtbarere Thiere in diesen dunkeln Gründen hausen könnten, gegen deren Angriffe mein Skaphander mich nicht schützen würde. Bisher hatte ich nicht daran gedacht, und ich beschloß auf meiner Hut zu sein. Ich vermuthete übrigens, daß hier unser Spaziergang sich endigen würde; aber ich täuschte mich, der Kapitän Nemo setzte seinen kühnen Ausflug fort.
Der Boden wurde immer niedriger, und sein stärkerer Abhang führte uns in größere Tiefen hinab. Es mußte etwa drei Uhr sein, als wir in ein enges Thal zwischen hohen steilen Wänden kamen, in einer Tiefe von ungefähr hundertundfünfzig Meter. Die Vorzüglichkeit unserer Apparate machte es möglich, daß wir so neunzig Meter über die Linie hinaus gelangten, welche bisher die Natur selbst den unterseeischen Unternehmungen als Grenze gesteckt zu haben schien.
Ich sagte hundertundfünfzig Meter, obschon ich kein Instrument hatte, diese Distanz zu messen. Aber ich wußte, daß selbst in den Meeren vom klarsten Wasser die Sonnenstrahlen nicht tiefer dringen konnten. Nun wurde es aber völlig dunkel; man konnte nicht mehr auf zehn Schritte einen Gegenstand erkennen. Indem ich tastend vorwärts schritt, sah ich auf einmal ein weißes lebhaftes Licht erglänzen. Der Kapitän Nemo hatte seinen elektrischen Apparat in Thätigkeit gesetzt. Sein Genosse machte es ihm nach, und ich folgte nebst Conseil ihrem Beispiel. Durch Drehen einer Schraube stellte ich die Verbindung der Inductionsröhre mit der gläsernen Serpentine her, und das Meer ward durch unsere vier Laternen bis auf fünfundzwanzig Meter weit im Umkreis erleuchtet.
Der Kapitän Nemo drang immer weiter in die Tiefen des Waldes, dessen Gesträuche allmälig seltener wurden. Ich bemerkte, daß das vegetale Leben weit schneller abnahm, als das animale. Die Meerpflanzen verließen bereits den trocken gewordenen Boden, während eine erstaunliche Menge von Thieren, Zoophyten, Wirbelthieren, Mollusken und Fischen daselbst wimmelten.
Während wir vorwärts schritten, fiel mir ein, daß das Licht unserer Ruhmkorff-Apparate nothwendig manche Bewohner dieser dunkeln Schichten herbeilocken würde. Sie kamen uns zwar nahe, hielten sich aber doch in einer Entfernung, welche für Jäger nicht angenehm war. Manchmal bemerkte ich, daß der Kapitän Nemo still stand und sein Gewehr anlegte; dann, nachdem er eine Weile beobachtet, setzte er seinen Weg fort.
Endlich, etwa gegen vier Uhr fand dieser merkwürdige Ausflug sein Ziel. Eine Wand prachtvoller Felsen von imponirender Masse ragte vor uns
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