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Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer

Titel: Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jules Verne
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bemerkte ich die Oberfläche des Meeres ganz ruhig.
    Wir schritten über seinen Sand ohne Runzeln, wie an den Meeresküsten der Fall ist, wo Spuren der hohen See zurückbleiben. Diese blendende Fläche warf, wie ein Reflector, die Sonnenstrahlen mit auffallender Stärke zurück. Daher der ungeheure Wiederschein, welcher alle Elementartheile durchdrang. Wird man mir glauben, wenn ich behaupte, daß ich in dieser Tiefe von dreißig Fuß wie am hellen Tag sehen konnte?
    Eine Viertelstunde lang ging ich auf diesem heißen Sand, der mit unbetastbarem Muschelstaub besäet war. Der Nautilus, welcher wie eine lange Klippe aussah, verschwand allmälig aus den Augen, aber sein Leuchtfeuer mußte, wann in den Gewässern die Nacht eintrat, unsere Rückkehr an Bord erleichtern, indem seine Strahlen vollkommen klar sichtbar waren. Auf dem Land, wo die Luft mit Staub durchdrungen ist, scheint dieses Licht düster, wie vom Nebel getrübt; aber auf dem Meer, wie unter dem Meer, pflanzen sich die elektrischen Lichtstreifen mit unvergleichlicher Reinheit weiter.
    Inzwischen gingen wir immer fort, und die ungeheure Sandfläche schien ohne Grenzen zu sein. Ich schob mit der Hand die Wassergardinen zurück, welche hinter mir wieder zusammenfielen, und der Druck des Wassers verwischte augenblicklich meine Fußstapfen.
    Bald zeigten sich vor meinen Blicken, aus der Ferne in verwischten Umrissen, einige Gegenstände. Ich erkannte prächtige Musterstücke von Felsen, mit Pflanzenthieren der schönsten Sorte wie mit einem Teppich bedeckt, so daß ich im ersten Augenblick ganz betroffen war von dem außerordentlichen Anblick.
    Es war damals zehn Uhr Vormittags. Die Sonnenstrahlen fielen in ziemlich schiefem Winkel auf die Oberfläche des Meeres; und da ihr Licht durch Brechung wie durch ein Prisma sich zertheilte, so erschienen Blumen, Felsen, Pflänzchen, Muschelwerk, Polypen am Rande mit den sieben Regenbogenfarben geziert. Es war wundervoll zu schauen, eine wahre Augenweide, diese kaleidoskopartige Mischung von Farbentönen, grüngelb, orange, violett, indigo, hellblau!
    Bei diesem Anblick war Conseil, gleich mir, stehen geblieben. Der brave Junge war ohne Zweifel im Klassifiziren dieser Mollusken und Zoophyten vertieft. Polypen und Echinodermen bedeckten in Menge den Boden. Die mancherlei Korallenarten, die gleich Champignons gestalteten Fongiten, die Anemonen, bildeten einen Blumengrund, bunt verziert mit Porpiten im Schmuck ihres Kragens lasurblauer Fühlfäden, mit Seesternen, welche den Sand bedeckten.
    Es war ein rechter Jammer für mich, die glänzenden Musterstücke von Mollusken, die zu Tausenden auf dem Boden lagen, mit meinen Füßen zu treten. Aber wir mußten vorwärts schreiten, und wir thaten es, während über unseren Häuptern Schaaren von Physalien mit ultramarinblauen Fühlfäden, die mit den Wogen trieben, Medusen mit opal-oder zart rosenfarbenen Schirmen uns gegen die Sonnenstrahlen deckten.
    Alle diese Wunder sah ich im Raum einer Viertelmeile, indem ich kaum stehen bleiben konnte, da der Kapitän Nemo mich mit einem Wink mahnte, ihm zu folgen. Bald änderte sich die Beschaffenheit des Bodens. Auf die Sandebene folgte eine Lage klebrigen Schlammes, der nur aus kieseligen oder kalkartigen Muscheln bestand. Hierauf durchwanderten wir eine Wiese von Algen. Diese dichten Rasen waren so weich, daß sie es mit den von Menschenhand gewebten Tapeten aufnehmen konnten. Zu gleicher Zeit breitete sich über unseren Köpfen eine grüne Decke von Seepflanzen aus der überreichen Algenfamilie, deren man über zweitausend Arten kennt, an der Oberfläche des Meeres. Diese Algen, ein wahres Wunder der Schöpfung, gehören zu den größten Merkwürdigkeiten der allgemeinen Flora. Es gehören dieser Familie die kleinsten, wie die größten Pflanzen der Erde. Denn wie man einerseits im Raum von fünf Quadratmillimeter vierzigtausend dieser mit den Augen nicht wahrnehmbaren, mikroskopischen Pflänzchen gezählt hat, so hat man Fucus getroffen, die über fünfhundert Meter lang waren.
     

    Unterseeische Landschaft der Insel Crespo. (S. 138.)
     
    Seit etwa anderthalb Stunden hatten wir den Nautilus verlassen. Es war bald Mittagszeit, wie ich aus den senkrechten Sonnenstrahlen, die sich nicht mehr brachen, abnahm. Der Farbenzauber schwand allmälig, und die Nüancen von Smaragd und Saphir erloschen an unserem Firmament. Wir gingen im regelmäßigen Schritt, der erstaunlich stark auf dem Boden widerhallte.
     

    Eine Riesen-Seespinne. (S.

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