Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
erquickte, der Anblick der reichen Gewässer durch die Fenster des Salon, die Lectüre in der Bibliothek, die Ausarbeitung meines Tagebuchs beschäftigten mich die ganze Zeit über, und ließen mir nicht einen einzigen Augenblick Langeweile.
Unser Gesundheitszustand hielt sich allerseits sehr befriedigend. Die tägliche Kost sagte uns vollkommen zu, und ich meines Theils hätte ganz wohl die Abwechselung entbehren können, welche Ned-Land aus Widerspruchsgeist in dieselbe zu bringen beflissen war. Ferner war bei der gleichmäßigen Temperatur nicht einmal ein Katarrh zu befürchten. Zudem hätte das madreporische Gewächs, welches in der Provence unter dem Namen Meerfenchel bekannt ist, und wovon man einigen Vorrath an Bord genommen hatte, mit dem saftigen Fleisch seiner Polypen ein vortreffliches Mittel wieder den Husten gegeben.
Einige Tage lang bekamen wir eine große Menge Seevögel zu sehen, Plattfüßler, Meerschwalben oder Seemöven. Es gelang einige zu schießen, und gehörig zubereitet gaben sie ein sehr annehmliches Seewildpret ab. Unter den Weitseglern, die allerwärtsher aus weiter Ferne verschlagen, von dem ermüdenden Flug auf den Wellen ausruhen, bemerkte ich prächtige Albatros, die so disharmonisch schreien wie ein Esel; sodann Fregatten, die in reißend schnellem Flug die Fische von dem Meeresspiegel fangen, und zahlreiche Phaeton, unter anderen den rothgesprengten von der Größe einer Taube, dessen weiße Flaumfedern mit rosa Tönen schattirt sind, welche die schwarze Färbung der Flügel hervorheben.
Die Netze des Nautilus lieferten einige Sorten Seeschildkröten, von der Karetgattung mit gewölbtem Rücken und sehr geschätzter Schale. Diese Thiere tauchen leicht unter und können sich lange unter’m Wasser halten, indem sie die fleischige Klappe an der äußern Mündung ihres Nasencanals schließen. Das Fleisch derselben war meist nicht viel werth, aber ihre Eier bildeten eine treffliche Erfrischung.
Die Fische erregten stets unsere Bewunderung, wann wir bei geöffneten Läden sie bei den Geheimnissen ihres Wasserlebens belauschten. Ich bemerkte einige Arten, welche ich bisher noch nicht zu beobachten Gelegenheit hatte.
Ich hebe daraus die dem Rothen und Indischen Meer eigenthümlichen Beinfische hervor. Diese sind gleich den Schildkröten, Gürtelthieren, Meerigeln, Schalthieren, mit einem Panzer geschirmt, der weder kreideartig, noch steinartig, sondern wirklich von Knochenstoff ist. Er hat bald die Form eines dreieckigen, bald eines viereckigen Körpers. Von den dreieckigen waren manche einen halben Decimeter lang, von gesundem Fleisch und ausgesuchtem Geschmack, mit braunem Schwanz und gelben Flossen. Unter den viereckigen führe ich die mit vier Buckeln auf dem Rücken an; die Dromedare mit dicken kegelförmigen Höckern, von hartem, zähem Fleisch; ferner Trigonen, welche mit Stacheln versehen sind, die durch Verlängerung ihrer beinigen Schale entstehen, und die man ihres eigenthümlichen Grunzens wegen »Meerschweine« genannt hat.
Meister Conseil hatte in seinem Tagebuch eine sehr große Menge der schönsten und merkwürdigsten Fische verzeichnet, von denen ich noch manche anführen möchte, aber es würde allzuweitläufig sein.
Vom 21. bis 23. Januar fuhr der Nautilus im Verhältniß von zweihundertundfünfzig Lieues binnen vierundzwanzig Stunden, also fünfhundertundvierzig Meilen, oder zweiundzwanzig Meilen in der Stunde. Die mancherlei Fische, welche uns begleiteten, waren durch das elektrische Licht angelockt: die meisten blieben bald zurück, manche jedoch konnten sich eine Zeit lang bei demselben halten.
Am 24. früh bekamen wir, unter 12°5’ südlicher Breite und 91°33’ Länge, die Insel Keeling in Sicht, dieselbe ist madreporischen Ursprungs, mit prachtvollen Cocosbäumen bepflanzt, aber menschenleer und mit steilen Küsten, an welchen der Nautilus nahe vorbei fuhr. Darwin und der Kapitän Fitz-Roy hatten sie besucht. Sie verschwand uns rasch am Horizont, und wir fuhren nordwestlich auf die Spitze der indischen Halbinsel zu.
»Civilisirte Länder, sagte damals Ned-Land zu mir, das wird besser sein, als Papuasien, wo man mehr Wilde als Wildpret antrifft! Auf diesem indischen Land, Herr Professor, giebt’s Landstraßen, Eisenbahnen, englische, französische und Hindu-Städte. Da würde man keine fünf Meilen zu machen haben, um auf einen Landsmann zu stoßen. Nun? Ist da nicht der rechte Zeitpunkt, sich von dem Kapitän im Stillen zu entfernen?
– Nein, Ned,
Weitere Kostenlose Bücher