Zwanzigtausend Meilen unter'm Meer
Ruhmkorff’schen Apparat war keine Rede. Bevor ich meinen Kopf in die kupferne Kapsel steckte, bemerkte ich es dem Kapitän.
Eine Riesenauster. (S. 243.)
»Dieser Apparat würde uns nicht dienlich sein, erwiderte der Kapitän. Wir begeben uns in keine große Tiefe, und die Sonnenstrahlen werden schon ausreichen, unseren Weg zu beleuchten. Zudem ist’s nicht klug, unter diese Gewässer eine elektrische Lampe mitzunehmen, weil deren heller Schein unversehens einen gefährlichen Bewohner dieser Meeresgegend herbeilocken könnte.«
Während der Kapitän diese Aeußerung machte, wendete ich mich um nach Conseil und Ned-Land. Aber diese beiden Freunde hatten schon ihren Kopf in die metallene Kappe gesteckt, und sie konnten weder hören noch antworten.
Ich hatte noch eine letzte Frage an den Kapitän Nemo zu richten:
»Und unsere Waffen, fragte ich, unsere Gewehre?
– Gewehre! Wozu? Bekämpfen Ihre Gebirgsbewohner nicht den Bären mit dem Dolch in der Hand, und ist nicht der Stahl eine zuverlässigere Waffe, als das Blei? Hier ist eine gute Klinge, die stecken Sie in Ihren Gürtel, und nun vorwärts.«
Ich blickte auf meine Gefährten. Sie waren wie wir in Rüstung, und dazu schwang Ned-Land eine ungeheure Harpune, welche er, bevor er den Nautilus verließ, in das Boot gelegt hatte.
Hierauf ließ ich mir, nach dem Beispiel des Kapitäns, den Kopf in die schwere Kupferkugel stecken, und unsere Luftbehälter wurden sofort in Thätigkeit gesetzt.
Alsbald darauf brachten die Bootsleute uns der Reihe nach aus dem Fahrzeug, und wir faßten anderthalb Meter tief Grund auf ebenem Sand. Der Kapitän Nemo winkte uns mit der Hand, wir folgten ihm und verschwanden auf sanft abhängigem Boden unter dem Gewässer.
Hier verließen mich die schlimmen Gedanken, welche meinen Kopf belagert hatten. Ich ward wieder zum Erstaunen ruhig. Die Leichtigkeit meiner Bewegungen hob mein Vertrauen, und das Fremdartige des Schauspiels fesselte meine Einbildungskraft.
Die Sonnenstrahlen brachten schon hinreichende Helle unter die Gewässer. Die geringsten Gegenstände waren erkennbar. Nachdem wir zehn Minuten weit gegangen, befanden wir uns in einer Tiefe von fünf Meter, und der Boden wurde fast eben.
Unter unsern Tritten wurden, gleich Becassinen im Sumpf, Schwärme merkwürdiger Fische aufgescheucht, aus der Gattung der Einflosser, die außer am Schwanz sonst keine Flossen haben. Ich erkannte eine acht Decimeter lange Meerschlange mit blauschwarzem Bauch, die man leicht mit dem Meer-Aal verwechseln könnte, hätte nicht dieser goldfarbene Streifen an den Seiten. Von Deckfischen mit sehr plattem, ovalem Körper bemerkte ich Golddecken mit grellen Farben, die eßbar sind und ein vortreffliches Gericht liefern.
Inzwischen war die Sonne höher gestiegen und erleuchtete mehr und mehr die Masse der Gewässer. Der Boden änderte sich allmälig und an die Stelle des Sandes trat eine ordentliche Straße mit runden Felsstücken, überkleidet mit einem Teppich von Mollusken und Zoophyten. Mitten unter diesen lebendigen Pflanzen und unter den Wölbungen von Wassergewächsen liefen Legionen unbeholfener Gliederthiere, zum Theil häßlich anzusehen. So stieß ich mehrmals auf den enormen, von Darwin beobachteten Meerkrebs, welchem die Natur die erforderliche Kraft und den Instinct gegeben hat, um sich von Cocosnüssen zu nähren. Er klettert am Ufer an den Bäumen hinauf, wirst die Nuß herab, welche beim Fallen zerbricht, worauf er sie mit seinen ungeheuren Scheeren öffnet. Hier unter den klaren Fluthen bewegte sich die Krabbe mit einer Behendigkeit ohne Gleichen.
Gegen sieben Uhr beschritten wir endlich die Perlmuschelbank, worauf Perlenaustern zu Millionen erzeugt werden. Diese kostbaren Mollusken waren durch braunen Byssus fest angeheftet, so daß sie ihre Stelle nicht verändern konnten. Die Muscheln sind rund, haben dicke, sehr runzelige Schalen, beide von fast gleicher Größe. Manche waren mit grünlichen von oben herablaufenden Streifen geziert; sie gehörten jungen Austern. Die andern mit rauher und schwarzer Oberfläche, zehn Jahre alt oder noch älter, waren bis zu fünfzehn Centimeter breit.
Der Kapitän Nemo zeigte mir mit der Hand diese erstaunlich reich aufgeschichtete Masse von Perlmuscheln, und es war mir begreiflich, daß diese Fundgrube wahrhaft unerschöpflich ist. – Ned-Land beeilte sich, mit den schönsten Mollusken ein Garn zu füllen, das er an der Seite hängen hatte.
Aber wir konnten uns nicht aufhalten. Wir
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