Zwei Einzelzimmer, bitte!: Mit Kluftinger durch Deutschland
aber: Ich trinke nicht mal Bier! So, jetzt isses raus. Musste mal gesagt werden. Dafür hab ich sogar ein kleines, schon mehrfach mit Tesa geklebtes Deutschland-Papierfähnchen. Hab ich mal beim Tag der offenen Tür in der Schule verwendet, um die deutsch-französische Freundschaft darzustellen. Das reißt es jetzt auch nicht mehr raus, gell?
Vor viereinhalb Jahren wäre ich mit meinem Verhalten noch ein ganz normaler Mainstream-Deutscher gewesen. Bis auf die Sache mit dem Bier. Jetzt bin ich eine Randgruppe. Stehe im Abseits, wenn ich dieses Bild mal bemühen darf. Eine erbärmliche Existenz am Rande der Gesellschaft! Nix mit Sommermärchen. Niemand hat mich mitgenommen nach Fußballwunderland. Ich bin irgendwie im Jahr 2005 stehen geblieben, glaub ich.
Und jetzt isses mir egal. Jetzt machen wir Lesungen während Halbfinalspielen. Für alle, die auch kein Asyl in Fußballdeutschland bekommen haben. Vor vier Jahren haben wir das auch schon mal gemacht. Sie wissen schon, WM im eigenen Land. Alle haben sie den Kopf geschüttelt über den Termin. Und alle sind gekommen. Also zur Lesung, mein ich. Ausverkauft. Dabei war Halbfinale gegen Italien. Gab eh Verlängerung, so gesehen hatte man nach zwei Stunden nicht allzu viel verpasst.
Auch die Augenklappe hat Herrn Kobr keinen zusätzlichen Erfolg bei den Damen gebracht, genauso wenig wie Herrn Klüpfel die Wischmoppfrisur.
Und dann Südafrika: Lesung im Tollwood in München – 1700 Leute bei uns – neunzig Prozent Frauen, das Olympiastadion mit Public Viewing in Hörweite. Und wissen Sie was? Klar wissen Sie’s: Keiner hat gejubelt, und als es aus war, hatte Deutschland verloren. Aber bei der nächsten WM , da mach ich was Krasses. Da stelle ich mich voll gegen den Trend, mache mich bereit, um etwas zu machen, was nur geht, während ganz Deutschland seiner nationalen Pflicht nachkommt.
Ich geh zu Ikea zum Essen. Ganz allein. Oder ich setz mich auf die Bundesstraße vor meinem Haus und lese ein Buch. Ich klau die Kronjuwelen. Ach so, wir sind ja eine Demokratie. Blöd. Dann halte ich eine politische Rede im Stadtpark. Ich … bade und geh danach im Bademantel in der Stadt spazieren. Ich fahr mit dem Auto siebzehnmal über eine rote Ampel. Ich male Politikern auf Plakaten falsche Bärte. Ich mähe meinen Rasen. Ich geh auf den Kinderspielplatz und rutsche! Und wippe mit mir selbst! Ich rufe bei der Telekom an und komme sofort durch!
Na ja, wird sich schon was finden. Vielleicht geh ich auch nach Österreich. Ob die überhaupt Fahnen fürs Auto haben? Ich fahr mal schnell rüber und schaue nach. Vielleicht nehm ich mir auf dem Rückweg noch eine Vuvuzela mit. Dann bau ich mir ein Fernrohr draus und schau in die Zukunft. Und sag keinem, wer die nächsten Male Weltmeister wird!
Freies Assoziieren mit unterschiedlichen Ergebnissen:
Herr Klüpfel nennt dieses Foto »Lichtgestalt«,
Herr Kobr »Schattenseite«.
WMETISBC
(Wie mir einmal träumte, ich sei beim Casting)
Von Volker Klüpfel
Manchmal entwickeln sich die Vermeidungsstrategien, die man während des Nicht-Schreibens so entwickelt, zu regelrechten Tagträumen. So wie dieser.
Gleich mal, das ist wichtig, erklärt sich aber erst im Verlauf dieses Textes, ein literarisch anspruchsvoller Einstiegssatz: Neulich träumte mir.
Es heißt tatsächlich so, nicht: träumte mich, obwohl es stimmen würde, denn der Traum handelte von mich … äh: mir.
Mir träumte also von mir, dass ich ein Autor wär. Das heißt: ein richtiger, anspruchsvoller, also armer. Um meiner Erfolglosigkeit zu entrinnen, bewarb ich mich bei einer neuen Castingshow im Privatfernsehen mit dem eingängigen Titel: DSGTTA (gesprochen, nun ja, »Dsgtta« eben) – Deutschland sucht Germany’s Top Text Autor. Alles begann damit, dass man sich im Casting-Lokal einfinden musste, einem holzvertäfelten Dorfgasthof in Depsried, das wirklich so heißt und gleich neben meinem Heimatort Altusried liegt (wehe, hier kommt jetzt irgendein blöder Kommentar!). Mich freute das, dachte ich doch, da haben die ganzen Affen aus der Stadt die schlechteren Karten. Meine Laune trübte sich jedoch schnell, als ich der Jury ansichtig wurde (entschuldigen Sie die Ausdrucksweise, aber ich leide noch unter den im Folgenden beschriebenen Traum-Traumata und achte deshalb auf eine besonders gewählte Diktion), der ich meine Bewerbungsgeschichte vorlesen sollte.
Die Jury war hammermäßig, ja, megamäßig besetzt: Neben Heidi Klum, deren Anwesenheit mich wunderte, weil mir
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