Zwei Esel Auf Sardinien
Mann, wir sind nicht verheiratet.«
»Was macht denn das für einen Unterschied? Es ist immer noch dein Kerl! Also, hör mir gut zu, Bruno: Denk zunächst einmal ans Gleichgewicht. Wenn du aufsteigst, press nicht die Beine zusammen, um dich oben zu halten. Du musst dich erst ein wenig daran gewöhnen. Aber du wirst schon sehen, dann ist es ganz bequem, und du fühlst dich auch sicherer. Sonst noch Fragen?«
»Also, eigentlich bin ich noch nie geritten, Anna … Ich könnte nicht einmal auf einer Ziege reiten, geschweige denn auf einem Maultier. Ich habe in meinem Leben nur ein paar Galopprennen und zwei Aufführungen von Apassionata gesehen. Ich habe keinerlei Erfahrung mit Pferden.«
»Angsthase, du hast bloß Schiss … Steig auf, ich führe dich. Entspann dich.«
Ich bin gerade aufgesessen, zum ersten Mal in meinem Leben, und obwohl ich mich auf einer Schaufel abstützen musste, bin ich stolz, dass ich es überhaupt geschafft habe. Wie ein Abc-Schütze befolge ich Annas Anweisungen: nach vorne, rechts, links, stopp. Sie sagt, dass Ferru mich mag, er hätte auch rumbocken können. Ein gutes Zeichen. Ich bitte sie dennoch, so lange bei mir zu bleiben, bis ich Zutrauen zu ihm gewonnen habe. Ich befolge ihre Ratschläge genau: langsame Bewegungen, leise Stimme, ab und an eine Streicheleinheit. Ich werfe mich so richtig ins Zeug, als Jutta auf einmal zu mir kommt und mir auf den Schenkel schlägt, als wollte sie sagen: »Gut gemacht!« Wäre sie nicht meine liebreizende Gefährtin, würde ich jetzt die Schaufel packen und ihr damit kräftig eins überziehen. Welcher Teufel hat sie da nur geritten? Ich habe schon Schwierigkeiten genug, mich im Gleichgewicht zu halten. Auch Ferru scheint ihre Geste zu stören. Ohne nachzudenken, treibe ich ihn mit zwei kräftigen Schlägen auf den Hals und einem mit fester Stimme ausgesprochenen Befehl an; der Esel geht wirklich vorwärts, aber nach kaum fünf Metern schreit er »Iii-aah«, bäumt sich auf und wirft mich mitsamt der Satteltasche ab. Glücklicherweise lande ich neben Anna, die mich sofort wegzieht, damit er nicht mit dem Huf auf meinen Fuß tritt. Das tut weh!
Anna sagt, dass es nicht Juttas Schuld war (typisch weibliche Solidarität!), sondern an meinem Tonfall lag. »Maultiere sind ja keine Menschen, die denken nicht, sie handeln rein instinktiv. Du kannst sie manchmal anschreien, aber du darfst ihnen nicht urplötzlich zwei Mordshiebe verpassen. Los, gleich noch einmal! Und mach den Rücken krumm!«
Wenn jetzt auch geklärt ist, was meinen Ferru erschreckt haben könnte, kann mir doch keiner sagen, warum er sich auf einmal völlig bockig stellt, sobald ich wieder aufsitze. Und zu allem Unglück (das anscheinend immer mich trifft!) kommt in diesem Moment ein befreundeter Bauer von Claudio und Anna mit seinen Schafen vorbei, Zio Gavino mit Namen. Vielleicht waren es die Glöckchen seiner Tiere oder auch meine Angst, auf jeden Fall rennt Ferru wie besessen vor zu der kleinen Straße, die am Gehege entlangläuft. Balancierend wie ein Akrobat, schaffe ich es, oben zu bleiben, bis ich doch wieder abgeworfen werde, und zwar ausgerechnet in einen Brombeerbusch. Diesmal glaube ich wirklich, dass ich mir das Kreuz gebrochen habe. Doch anstatt mir zu helfen, lachen alle aus vollem Hals. Na ja, eigentlich komme ich mit ein paar Kratzern an den Schienbeinen davon. Nichts Schlimmes. Nach einer Weile packt mich Zio Gavino mit seiner Riesenpranke unterm Kinn, so dass ich aufschauen und ihm in die Augen sehen muss.
»Dir fehlt nur ein wenig Übung, mein Freund. Komm mit mir, lassen wir die Frauen allein.« Also gehen wir zu seinem Gehege inmitten von grünen Wiesen. Dort empfangen uns seine Enkel, sieben und neun Jahre alt, die fröhlich mit vier dunkelhaarigen Eselchen spielen. Zio Gavino weist mich – diesmal in perfektem Italienisch – darauf hin, wie wichtig der Kontakt zwischen den Kindern und diesen großartigen, sanftmütigen Tieren ist, um ihre Fähigkeiten auszuschöpfen und nicht nur eine Persönlichkeit zu entwickeln, sondern auch die Sprache. Er sagt mir, dass ich auf dem erstbesten aufsitzen soll. Diesmal geht es fast wie von selbst, und ich brauche weder Hocker noch Schaufel. Und hier gibt mir Zio Gavino ein Beispiel für das Gleichgewicht, von dem Anna vorhin erzählt hat. Anscheinend stützen sich die Esel, die Lasten über die steilen Hügel transportieren, gegenseitig – der Esel am äußeren Rand des Weges drängt nach innen, während der Esel auf der
Weitere Kostenlose Bücher