Zwei Esel Auf Sardinien
Köstlichkeiten darauf. Bruno entfährt ein erstauntes » No «, bevor auch er seinen Esel versorgt und sich niederlässt.
Früher hatte ich stets ein Schweizer Taschenmesser dabei, so war ich allzeit bereit, zu schnippeln, Flaschen zu entkorken oder meine Nägel zu feilen. Mit der kleinen scharfen Schere konnte man sogar Seile durchschneiden, aber dank der vor Jahren eingeführten Flugsicherheitsbestimmungen sind unzählige meiner kostbaren Messer unter den gnadenlosen Augen der Beamten an Flughäfen in Mülleimer gewandert. So haben wir leider heute kein Messer und müssen wie Raubtiere unsere Zähne in die Beute schlagen. Wer schneller kaut, kriegt mehr ab. Wer hat den größeren Mund, um sich das größere Stück abzubeißen? Aber wir teilen alles gerecht.
Es ist schon bemerkenswert, wie sich eine solche Ausnahmesituation auf das Verhalten auswirkt. Normalerweise bin ich es als Mutter gewöhnt, mich beim Essen hinten anzustellen. Da ich jedoch noch wütend auf Bruno bin, auch weil er sich wie so oft kaum um etwas gekümmert hat, sondern es anderen überlässt, hab ich heute keine Lust dazu. So hat er es auch diesmal mir beziehungsweise Anna zu verdanken, dass er nicht verhungert. Und als ich jetzt in seine glücklichen Augen sehe, während er genüsslich ein großes Stück Brot mit Salami und Käse in den Mund schiebt, erkenne ich Dankbarkeit und fühle mich in meiner blöden Erwartungshaltung bestätigt. Sofort ärgere ich mich über mich. Wie viel schöner ist doch jeder Moment, wenn man ihn einfach so nehmen kann, wie er ist.
Die saftigen Tomaten löschen unseren Durst, und irgendwo finden wir sicher demnächst Wasser. Nachdem wir unsere Esel von den Bäumen losgebunden haben, stellen wir uns orakelnd an die Weggabelung. Ich schließe meine Augen, nachdem ich intensiv beide Möglichkeiten betrachtet habe. Bis zum Horizont bin ich im Geiste gelaufen, um die richtige Richtung zu erspüren.
Soll es nach rechts gehen oder nach links? Etwas zieht mich tatsächlich, aber am Handgelenk, und es ist keine fremde Macht, sondern der Esel.
»Na, hoffentlich hat der Blödmann recht«, schreie ich gerade noch Bruno zu, bevor ich weitergezogen werde. Wir ergeben uns und laufen mit unseren Maultieren mit, an Aufsteigen ist gar nicht zu denken.
»Bist du sicher, dass die Esel den Weg kennen?«, frage ich Bruno. Aber das ist natürlich die dümmste Frage, die ich stellen konnte! Wie kann ich nur sein Urteilsvermögen in Frage stellen? Er wisse schon, was er zu tun habe, und ich solle ihm vertrauen. Es müsse nach links gehen, die Esel hätten schon recht, und es sei letztendlich auch genau die Richtung, die ihm Claudio gestern Abend beschrieben habe.
»Ach, und daran willst du dich nach der Nacht noch genau erinnern, zumal es stockfinster war und du wohl kaum auch nur irgendeine Richtung erkennen konntest«, blaffe ich zurück.
Oje, jetzt wird es heiß zwischen uns. In puncto Sturheit sind wir beide Weltmeister. Aus Erfahrung weiß ich, dass er nichts annehmen wird, egal, was ich ihm jetzt vorschlage. Außerdem hat sich Bruno noch nie durch einen guten Orientierungssinn ausgezeichnet. Wenn ich jedoch nun einen anderen Weg einschlage und dieser absolut falsch ist, liegt der Schwarze Peter bei mir. Zugegeben, ich weiß es ja auch nicht besser, also folge ich ihm, indem ich mein Vertrauen in seinen Instinkt beteuere.
Auf einmal tauchen Frauen vor uns auf, vor sich Berge von nasser Wäsche, die sie in einem sanft dahinfließenden Bächlein waschen. Sofort führe ich mein Maultier ans Wasser, und es beginnt gierig zu trinken. Auch ich schöpfe mehrere Handvoll aus dem Bach und hoffe inständig, dass das Wasser nicht verseucht ist. Woran ich letztlich sterbe, ist jetzt auch schon egal, denke ich fatalistisch. Bruno, das weiß ich sicher, wird nie und nimmer davon trinken, lieber verdurstet er.
»Jutta, weißt du noch den Namen des Ortes, wo wir hinmüssen? Anna hat ihn mir gesagt, aber ich habe ihn vergessen.«
Wie bitte? Das kann nicht wahr sein. »Du hast mit ihr gesprochen, wie soll ich den Namen wissen?«, antworte ich entsetzt. Bruno ist bereits intensiv im Gespräch mit den Wäscherinnen und scheint sich weder an das Dorf, geschweige denn an den Namen dieses ominösen Bruders zu erinnern, denn soweit ich überhaupt etwas davon verstehen kann, beschreibt er gerade die Behausung unserer Schäferfamilie, die den Damen jedoch nicht allzu bekannt vorkommt. Freundlich und durchaus hilfsbereit sind sie, aber besonders
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