Zwei Geschichten von der See
entlegensten Flecken gehört wurde, wo angstbebende Wilde Xangôs Kriegsruf zu vernehmen glaubten.
Das Volk verließ seine Behausungen, der Donner rollte, an die Stelle der elektrischen Beleuchtung trat Wetterleuchten, und die Blitze folgten einander in so blitzartiger Geschwindigkeit, dass man alles genau sehen konnte, die eingestürzten Häuser, die von den Wassern mitgerissenen Ochsenkarren und Autos, die flussaufwärts treibenden Kähne, die auf die neu entdeckten Inseln, auf das den Flussufern entrissene Land aufliefen. Verzweifelt rannte das Volk durch die Straßen, Diebe und Mörder befreiten sich mit eigener Hand, Männer und Frauen knieten unwillkürlich nieder und sprachen selbsterfundene Gebete, ein Pater rief eilends eine Prozession zusammen, die Kirchen füllten sich, es herrschte das Getümmel des Jüngsten Tages.
Und die bisher am Kai festgemachten Schiffe, den Stürmen aller Himmelsrichtungen ausgeliefert, von ihren Leinen losgerissen, waren ein Spielball der Elemente. Und die Regenmassen fielen, die Armen weinten, die Reichen knirschten mit den Zähnen.
Das Ganze dauerte nur zwei Stunden; hätte der Sturm nur eine Stunde länger angehalten, die Stadt Belém mit ihren portugiesischen Fliesen und ihrer alten Anmut wäre vom Erdboden ausgelöscht gewesen.
Die Stadt Belém wäre verschwunden, verschluckt von der Sintflut, fortgeschwemmt vom Taifun, aber der ITA , der auf Befehl des Kommandanten Vasco Moscoso de Aragão, Kapitän auf großer Fahrt – des Einzigen unter allen alten Seeleuten, der imstande gewesen war, das Unwetter vorauszusehen und sein Schiff davor zu schützen –, mit allen Leinen festgemacht worden war, der war heil an seinem Kai geblieben. Dort, an der alten Stelle, unbeweglich und unverrückbar festgemacht mit allen Leinen.
So unerwartet, wie es gekommen war, so plötzlich verzog sich auch das Unwetter. Die Luft wurde wieder rein und leicht, und nun schimmerte die Wahrheit am Firmament.
Nachdem der erste Schrecken überstanden war, begannen die armen Leute ihre Toten und Vermissten, die Reichen ihre Schäden zu zählen. Der Toten waren es wenige, der Vermissten zahlreiche, aber die Verluste an Gütern gingen in die Millionen. In der ihrer Kanalisation beraubten Stadt herrschte Fiebergefahr. Der Kai des »Port of Pará« war ein Bild der Verwüstung. Aber inmitten der Zerstörung ragte furchtlos der ITA mit kühnem Bug, gerettet durch seinen Kommandanten.
Als endlich am späten Vormittag der Vertreter der
Costeira,
die Schiffsoffiziere und das Volk zur Pension Dona Amparos gelangten, deren Entdeckung sie so große Mühe gekostet hatte, schlummerte der ahnungslose Vasco noch friedlich. Die Menge, die am Vorabend gelacht und geweint hatte, schrie am sonnigen Morgen Hochrufe. Dona Amparo, schon erholt vom Schrecken der Nacht, rief an Vascos Zimmertür. Er erwachte, aber als er das Echo des Stimmengewirrs hörte, dachte er, das Volk müsse sehr bösartig sein, um ihn noch hier in seiner Ruhe zu stören und zu beschimpfen.
Sie klopften so kräftig an seiner Türe, sie riefen so laut seinen Namen, dass er schließlich aufmachte und ihnen gegenübertrat: unrasiert, die Füße in Socken, die Hosen zerdrückt, die Zunge belegt von zu viel Schnaps. Vornean stand der Erste Offizier, dahinter, im Hausflur, drängte sich die Menge.
Zu jener Stunde hatten der brasilianische Telegraphendienst und das Überseekabel bereits das ganze Land und die fünf Erdteile von der gewaltigen Naturkatastrophe und von dem Genius des Kommandanten Vasco Moscoso de Aragão in Kenntnis gesetzt, des Einzigen, der das Unwetter vorausgeahnt und sein Schiff gerettet hatte. Endlose Telegramme füllten die Schlagzeilen der Bahianer Zeitungen, tagelang wurden sie verfolgt, in Periperi gierig verschlungen und von Zequinha Curvelo auswendig gelernt. Einschließlich der drahtlosen Berichte, die von der Ehrung berichteten, die die Reederei dem unbezwinglichen Kapitän auf großer Fahrt zuteilwerden ließ: von einem ergreifenden Fest an Bord des von ihm geretteten ITA -Dampfers, auf dem er nun nach Salvador zurückkehrte. Dabei wurde ihm ein Diplom, das seine Tat würdigte, und eine Erinnerungsmedaille in achtzehnkarätigem Gold überreicht. Und von der Kommandobrücke blickte er aufs Meer, erhobenen Hauptes, bescheiden lächelnd.
Von der Moral von der Geschicht und von der üblichen Moral
Ich bin am Ende meiner Arbeit, meiner Forschungsarbeit über die so umstrittene Geschichte. Was kann ich noch hinzufügen? Einen
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