Zwei Geschichten von der See
Haupt gesunken. Er ging auf den Steg zu, als er von neuem angehalten wurde, es war der Vertreter der
Costeira,
mit Schriftstücken in der Hand zum Unterzeichnen. Er kritzelte seinen Namen darauf, er hatte noch Pflichtgefühl.
»Im Grand Hotel steht Ihnen ein Zimmer zur Verfügung. Das Schiff läuft morgen um siebzehn Uhr aus, wir haben eine Kabine erster Klasse für Sie reserviert.« Der Agent bemühte sich heftig, nicht zu lachen.
Vasco antwortete nicht und begann mit den anderen Passagieren, die Landungstreppe hinunterzusteigen. Seeleute, Offiziere der im Hafen liegenden Schiffe, Zollbeamte, Schauerleute der Kaischuppen und viele, viele andere aus der Stadt herbeigeeilte Neugierige bestaunten den ITA , der mit allen Trossen und Verbindungstauen am Kai festgemacht war. So würde er bis zum nächsten Tag, bis zur Stunde des Auslaufens liegen bleiben. Die ganze Stadt würde Zeit genug haben, an den Hafen zu laufen und das unerhörte Schauspiel zu begaffen.
Während immer wieder mit dem Finger auf ihn gedeutet wurde und das Gelächter kein Ende nehmen wollte, ging Vasco auf einen Gepäckträger zu:
»Können Sie mir sagen, wo ich eine billige Pension finde?«
»Nur bei Dona Amparo, aber die liegt ein bisschen weit ab …«
»Können Sie mir sagen, wie ich dahin komme?«
»Wenn Sie wollen, trage ich Ihren Koffer und zeige Ihnen den Weg … Hinterher geben Sie mir, was Sie wollen.«
Droben auf der Kommandobrücke sahen der Erste Offizier und die Steuerleute zu, wie der Kommandant mit gebeugtem Rücken und schwankendem Schritt wie ein ausgesetzter Schiffbrüchiger, mit einem Mal uralt geworden, hinter einer Straßenecke verschwand. Das Gelächter am Kai nahm kein Ende.
Wo die Wahrheit von den entfesselten wütenden Winden dem Grund des Brunnens entrissen wird
Gegen fünf Uhr nachmittags gelangte Vasco zum Fremdenheim der Dona Amparo, einer herzensguten, zahnlosen Cabocla, einer Halbschwarzen. Er bekam ein Zimmerchen mit einer Hängematte und die Sympathie der Wirtin, die sich durch Vascos linkisches Wesen an einen hilfsbereiten Bekannten aus Acre erinnert fühlte. Sie fragte ihn, ob er krank sei. Die Hitze war drückend. Vasco setzte sich auf die Hängematte und versank in Nachdenken. Krank? Nein, er war nur leer, ja leer, es war ihm unmöglich, Ordnung in seine Gedanken, in seine ungelösten Probleme zu bringen: seine Rückkehr nach Bahia, der Verkauf des Hauses in Periperi, der Kauf eines anderen auf der Insel Itaparica. Die Gasse draußen war still in der erstickenden Föhnluft, aber er hörte noch immer jenes gurgelnde Lachen, er würde nie aufhören, es zu hören, hohl hallte es in seiner Brust wider. Es war ein stechender Schmerz, stechend und ewig. Diesmal gab es keinen Ausweg. Kapitän Georges Dias Nadreau! Der alte Seemann war in ihm zerbrochen, nie wieder würde er stolz sein Haupt erheben können. Er, trauergebeugt, war das Gelächter der ganzen Stadt geworden.
Als Dona Amparo ihn zum Abendessen rief, fand sie ihn in der gleichen Haltung, auf der Hängematte sitzend. Er hatte nicht einmal den Uniformrock ausgezogen.
Nein, er wollte nicht essen. Dona Amparo war eine Frau mit reicher Lebenserfahrung, so sagten Gäste und Nachbarn. Dieser Mann war nicht körperlich krank; körperlich fehlte ihm nichts, das sah sie auf den ersten Blick. Sein Leiden war Kummer, und zwar ein großer Kummer. Vielleicht war ihm der einzige Sohn gestorben. Sie hielt es jedoch für wahrscheinlicher, dass seine Frau ihm weggelaufen war. Sicherlich war er mit einer viel jüngeren Frau verheiratet gewesen, und eines Tages war er nach Hause gekommen und hatte nichts vorgefunden als dies: Sie war fort und hatte die Möbel und die Freude des armen Mannes mitgenommen. Dona Amparo kannte verschiedene derartige Fälle.
Wollte er nicht wenigstens etwas trinken, um wieder zu Kräften zu kommen und der Hitze Widerstand zu leisten? Gegen die Hitze und eine verschwundene Frau gab es nichts Besseres als ein Gläschen sauberen Zuckerrohrschnaps. Alsbald brachte sie ihm die Flasche, ein Schluck allein genügte nicht für seinen Zustand.
Seinerzeit war Vasco ein berühmter Trinker gewesen. In den letzten Jahren jedoch hatte er nur noch hin und wieder einen heißen Grog zu sich genommen, den er mit viel Sachkenntnis in seinem Hause in Periperi zuzubereiten verstand. Nun setzte er die Flasche an den Mund, wie er es als junger Mann getan hatte, und trank ohne Maß und ohne Zaudern. Er hatte sich noch einen Rest seiner alten Widerstandskraft
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