Zwei Krankenschwestern auf dem Jacobsweg oder im Oktober gibt es keine Nachtpilger (German Edition)
hinschauen erkennen wir, dass sich hinter den Bäumen ein Golfplatz erstreckt. Dann ist es wohl eher ein Sichtschutz für die Schönen und Reichen. Am Ort angekommen staunen wir - so sehen also heute Dörfer aus. Moderne Neubaublöcke reihen sich zu unserer rechten auf. Links der besagte Golfplatz mit dicken Autos, von fast durchweg deutschen Herstellern, stehen davor. Ansonsten gibt es keine Zeichen von Leben. Der Ort scheint nicht bewohnt. Die hypermoderne Ministadt gleicht einer Geisterstadt. Wir können nur ahnen, was hier los ist. Das Dorf besteht aus zwei Teilen, dem neuen und dem alten Dorf. Gegensätzlicher kann es nicht sein. Das alte Dorf ist verfallen, aber wenigstens bewohnt.
Hier finden wir endlich eine Bar und weil wir heute so schlecht drauf sind, spendieren wir uns zum Kaffee noch ein großes Eis. Vor der Bar sind ein paar Bänke unter Bäumen aufgestellt und wir genießen unser Eis.
Auch David ist hier, ich weiß nicht, wie er das geschafft hat. Mir ist nicht bewusst, dass er vor uns los lief. Mich beschleichen Zweifel. Hier gibt es einen Internetzugang und David berichtet uns, seine Mutter hat ihm geschrieben, dass sie und Davids Schwester, sie ist 16 Jahre, ihn hier am Camino besuchen möchten. Vielleicht sogar ein Stück mit ihm wandern. David scheint darüber sehr glücklich zu sein und er ist froh, es uns erzählen zu können. David verabschiedet sich und wir lassen ihm einen kleinen Vorsprung. Als wir gerade aufbrechen, kommt das Ehepaar, dem wir schon einige Tage immer mal wieder über den Weg liefen. Zwei groß gewachsene, stattliche Personen, sehen aus wie Banker oder Lehrer. Sie scheinen heute auch nicht ihren besten Tag zu haben, er schmeißt, bevor er die Bank erreicht hat, seinen Rucksack auf die Erde in den Dreck. Die Aggression ist nicht zu übersehen. Sie versucht ihn, offensichtlich peinlich berührt, zu besänftigen. Er soll sich erst mal setzen und sie besorgt alles, damit es dem gefrusteten Gatten wieder besser geht. Wenn die Beiden mit dem Weg fertig sind, brauchen sie eventuell erst mal Urlaub, im schlimmsten Fall einen Scheidungsanwalt. Wir grüßen zum Abschied vorsichtig „Buen Camino“ und pilgern weiter. Nun wissen wir, dass es anderen viel schlechter geht, da geht’s uns doch gleich viel besser.
In Santo Domingo erwartet uns die Kathedrale mit ihrem berühmten Hühnerwunder. Um die Kirche zu erreichen, kämpfen wir uns durch die Vorboten der Stadt. Eine Kartoffelfabrik liegt an unserem Weg. Na endlich mal Kartoffeln in Spanien, wenn man bedenkt, dass die Spanier die Pflanze nach Europa gebracht haben und wir in Spanien lediglich Pommes serviert bekommen. Da haben sich die anderen Europäer wirklich mehr Gedanken um den leckeren Erdapfel gemacht.
Würde ich in Spanien leben, fehlte mir auf dem Speiseplan ein wichtiger Nahrungsbestandteil. Soviel zu den Beilagen, nun zum Fleisch. Das Hühnerwunder verfolgt mich in allen Büchern, die sich mit dem Jacobsweg befassen. Niemand, wirklich niemand verschont den Leser mit diesem Thema. Also bin ich wirklich gespannt was uns in der Kirche erwartet. Und da alle so neugierig auf die eingesperrten Hühner sind, macht die Kirche auch gleich noch ein schönes Geschäft mit dem Federvieh. 2,50€ Eintritt, dann dürfen wir das heilige Haus betreten. Zunächst bekommen wir Kunstschätze, die so wertvoll sind, dass sie hinter Glas geschützt werden müssen, zu sehen. Die gesammelten Werke erschlagen uns fast, Prunk und Reichtum wurden hier für den Besucher zusammengetragen, dabei wollten wir doch nur die Hühner sehen. Die Kathedrale ist nicht klein, so dauert es einige Zeit, bis wir den vornehmen Käfig endlich entdecken. Das weiße Hühnerpaar kann einem Leid tun, hier in der dunklen Kirche eingesperrt. Nun haben wir sie gesehen und können aufgeklärt weiter ziehen. Wir holen unsere Rucksäcke am Kircheneingang ab und folgen weiter den gelben Pfeilen, die uns wieder aus der Stadt hinaus lotsen. Der Führer kündigt noch 2 Stunden Weg an, deshalb planen wir bei nächster Gelegenheit noch eine Pause ein. Der Weg ist aber so karg, kein Baum, kein Busch, immer neben der Autobahn - hier findet sich kein “very nice Place”. Wir sind total fertig, am liebsten würden wir, wie der Mann an der Bar, unsere Rucksäcke in den Dreck schleudern. Im letzten Moment sehen wir in ca. 300 Metern eine Baumreihe, die unseren Weg kreuzt. Unsere Rettung! Wir schleppen uns zu dem Punkt, den wir anvisiert haben, dort angekommen, lassen wir wortlos das
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