Zwei Krankenschwestern auf dem Jacobsweg oder im Oktober gibt es keine Nachtpilger (German Edition)
Gepäck von unseren Rücken gleiten und legen uns nieder. Wir ruhen einfach nur aus. Allmählich kommt wieder Leben in unsere Körper. Im Nachhinein betrachtet, war unser Tagesziel nicht mal 1 Kilometer entfernt. Das war wirklich nicht unser Tag. Widerwillig machen wir uns noch mal auf den Weg, denn hier können wir nicht bleiben. Über einen Acker geht es in Richtung Granon, wir können es aus der Ferne schon sehen.
Karola hat inzwischen gelernt, überschaubare Abkürzungen zu nehmen und so marschieren wir quer über ein abgeerntetes Getreidefeld. Ein fast ausgestorbenes Dorf empfängt uns, wir erwarten heute nicht mehr viel.
Die jungen Leute, mit denen wir schon etliche Etappen zusammen laufen und die wir nicht sonderlich mögen, sind schon da. Sie sind Dänen. Sie sitzen vor der Bar „TEO“ und begaffen uns. Zu allem Überfluss teilen wir uns heute Nacht auch noch ein Dach. Zunächst gehen wir weiter und Karola wird von dem örtlichen Bäcker in seinen Laden gelotst. Als ob er wüsste, wie leicht wir zu verführen sind. Heute haben wir es nötig und so decken wir uns mit leckeren Kalorienbomben ein.
Eigentlich waren wir die Straße nur hoch gelaufen, weil wir den Herbergseingang nicht fanden. Der Bäcker schickt uns zurück, wir sollen einmal die Kirche umrunden. Das tun wir und betreten das Treppenhaus. Über eine Wendeltreppe erklimmen wir die Herberge. Oben angekommen, werden wir von dem Herbergsvater, einem etwa 60-jährigen Italiener empfangen. Infos, Fragen und Aufforderungen prasseln in rasender Geschwindigkeit auf uns nieder. Wir fühlen uns überfordert, bevormundet und schon gar nicht wie zu Hause, wie ein Schild uns doch rät. Die unangebrachte Hektik wird uns einfach zu viel. Kurz und gut, die Chemie stimmt einfach nicht. Es wird in dieser Herberge außerdem erwartet, dass alle zusammen zu Abend essen, aber das wollen wir eigentlich nicht und das missfällt dem Herbergsvater augenscheinlich. Es herrscht eine Spannung die äußerst unangenehm ist. Wir haben es nicht ausgesprochen, aber wir haben beide an Flucht gedacht. Aber da wir keine kleinen Kinder sind, beschließen wir diese Angelegenheit hier als Prüfung zu sehen. Wir haben es so ausgesucht und da müssen wir jetzt durch. Das Ambiente der Herberge an sich ist sehr originell. Es gibt einen Aufenthaltsraum mit Küche und eine Treppe führt ins ausgebaute Dach, hier befindet sich der Schlafraum. Auf dünnen Matten kann man sich sein Lager herrichten. Das tun wir.
Die Duschen sind leider alles andere als einladend, unsere Badelatschen tun heute das erste Mal ernsthaft ihre Pflicht. Als wir so weit wieder hergestellt sind, verlassen wir die Herberge, um unseren Stempel in der Bar „Teo“ abzuholen. Nicht mal einen eigenen Stempel haben die hier. Die Bar hat schon zu. Schöne Organisation! Wir schauen uns um, wir brauchen Essen. Das Herbergsessen haben wir soeben ausgeschlagen. Zur Not haben wir noch die Kekse. Aber dazu muss es nicht kommen, denn soeben erblicken wir auf der anderen Seite des kleinen Dorfplatzes unsere Rettung. Eine Bar. Wir müssen eine Treppe hoch und kommen in einen Gastraum, der an ein Kulturzentrum erinnert. Der Wirt hinterm Tresen macht einen freundlichen Eindruck und mutig fragen wir, ob es hier was zu Essen gibt. Ja wohl, er wird uns ein Pilgermenü zaubern. Wir sollen uns überraschen lassen. Wo sind wir den hier? Wir sind überwältigt von soviel Freundlichkeit. Kommt jetzt die ausgleichende Gerechtigkeit für den bisherigen schrecklichen Tag? Wir setzen uns glücklich auf unsere Plätze und genießen vorweg schon mal ein kühles Bier. Auch was der Wirt uns dann serviert gefällt uns sehr gut. Er fragt, ob wir in der Kirche übernachten und wie er das fragt, können wir seine Meinung über seine Nachbarschaft erahnen. Vollends von seiner Abneigung hat er uns überzeugt, als er uns einen Flyer von einer örtlichen Pension zeigt und uns den Mund wässrig macht. Nun ist es leider zu spät. Wir lassen es uns jetzt erst mal schmecken. Auf der anderen Straßenseite haben wir die Kirche im Blick. Karola möchte gerne zur Messe, mir ist nicht danach und so geht Karola rüber und wird später wieder hierher zurückkommen. Ich schreibe das heute erlebte in mein Tagebuch und beobachte hin und wieder den Wirt und die Straße. Karola kommt zurück und wir bleiben noch etwas in der freundlichen Bar. Die Messe war sehr schön und Karola hat für uns gebetet. Kurz vor 21.00 Uhr rüsten wir zum Aufbruch. Es hilft ja nichts, wir müssen
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