Zwei Krankenschwestern auf dem Jacobsweg oder im Oktober gibt es keine Nachtpilger (German Edition)
erfahren. Genüsslich versenke ich die bedauernswerten Gliedmaßen und bin glückselig. Da geht die Tür auf, die Sachsen sind da und das Glück endet Knall auf Fall. Kann man nichts machen. Ich trockne sanft meine Füße und salbe sie mit Hirschtalg - Salbe. Nun ist es perfekt.
Wir gehen und schauen uns den Ort an und setzen uns in ein Kaffee. Ein junger Mann aus Frankreich, den wir schon des Öfteren sahen fragt, ob er sich zu uns setzen darf. Er ist nett, wir haben nichts dagegen. David ist allein unterwegs. Er hat seine Arbeit gekündigt - in Deutschland war er viele Jahre Ingenieur, jetzt hat er sich eine Auszeit genommen. Er spricht ausgezeichnet Deutsch und sein Akzent ist herrlich. Wir gehen mit ihm später zum Pilgermenü. David ist kein großer Esser, ich muss an meine Tochter denken, denn genau wie sie lässt er dezent einen kleinen Rest am Tellerrand übrig. Vielleicht war mein Kind im früheren Leben ja Französin. Ich erzähle David wie mein Juliane ihre Essensreste am heimatlichen Tisch seit Jahren verteidigt: „Das ist für die Götter“. Er macht ein kluges Gesicht und nickt wissend.
Heute ist Mittwoch und ich hätte es ahnen können, kaum steht das Essen auf dem Tisch, da klingelt mein Handy. Mein Mann hat es wohl auch geahnt und lacht am anderen Ende. Die Frage, ob wir wohl zugenommen haben, kommt dann auch prompt.
Er berichtet aus der Heimat, von der Arbeit, den Kindern, was eben so ausgetauscht wird. Ich gebe einen Kurzbericht über unseren Pilgeralltag und unserer Verfassung. Mein Mann ist mit den Auskünften zufrieden und wir verabschieden uns bis zum nächsten Mal. Das Essen ist zum Glück noch nicht ganz kalt und schmeckt wie immer köstlich. Beim Heimweg begleitet uns David ein Stück, dann führt ihn sein Weg in die andere Richtung.
13. Oktober 2011, Donnerstag, Navarrete - Azofra, 24km, Sonne, 29ºC
Ich wache heute früh auf und mache mich im Bad fertig. Um Karola zu wecken, ist es immer noch zu früh. Was tun? Licht muss aus bleiben, weil wir ja nicht allein sind. Mir fällt ein, dass es da noch ein separates Zweibettzimmer gibt, der Hospitalero hat es uns gestern angeboten. Es wurde nicht belegt und ist unverschlossen. Ich nehme mein Schreibzeug und mach es mir in dem Zimmer gemütlich. So komme ich endlich mal wieder dazu, mein Tagebuch aufzuarbeiten. Nebenan rührt sich nichts und ich komme gut voran. Kurz nach 7.00 Uhr wecke ich Karola. Wir packen unsere Rucksäcke und gehen die Treppe runter in den Wohnbereich. Hier hat uns der junge Mann, der die Herberge betreut, ein kleines Frühstück bereitgestellt. Kaffee nehmen wir aus dem Automaten und auf dem Tisch sind Zwieback, Kekse, Marmelade, Milch und Saft. Wir sind noch müde und lassen uns Zeit. Die beiden Sachsen sind jetzt auch startklar und schauen sich missmutig den gedeckten Tisch an. Was sie sehen gefällt ihnen wohl nicht und sie meckern an allem herum. Da ihnen hier nichts recht ist, setzen sie ihre Rucksäcke auf und verlassen das Haus. Der Schwede hat gestern wohl noch jemanden zum Feiern gefunden. Er kam weit nach der Schließzeit und war ziemlich angeheitert. Er wurde vielleicht von den beiden geweckt, kurz vor 8.00 Uhr erscheint auch er auf der Bildfläche. Etwas einsilbig und verkatert setzt er sich zu uns. Trinkt seinen Kaffee und schweigt vor sich hin. Wir schultern kurz nach 8.00 Uhr unsere Säcke und wünschen ihm ein “Buen Camino”. Er winkt müde zurück. Wir laufen durch die Gassen, immer den Pfeilen folgend und sind bald wieder draußen in der Natur. Wir wandern durchs Weinanbaugebiet Rioja und holen uns die saftigen, süßen Trauben direkt von den Reben. Ich schwöre Karola, dass ich noch nie so köstliche Weintrauben gegessen habe. Diese delikate Zwischenmahlzeit ist uns weitere 2 Tage vergönnt, solange wir uns im Weinanbaugebiet aufhalten. Für eine nächste Mahlzeit schneide ich noch eine Traube ab und die verschwindet in meiner Tupperdose.
Das Wetter ist heute durchwachsen, es ist windig und oft versteckt sich die Sonne hinter Wolken. Aber nach den hochsommerlichen Temperaturen der letzten Tage, sind wir über etwas Abkühlung sehr zufrieden. Für einige Kilometer verlassen wir die Weinberge und laufen neben der Autobahn her. Der Weg ist heute zermürbend. Es dauert 17 Kilometer ehe wir durch eine Ortschaft kommen. Dazu kommen unsere Leiden. Karolas Schulter macht weiterhin Beschwerden und sie zieht es wegen ihrer schlimmen Zehen vor, in Sandalen zu laufen.
Auch meine Füße bringen weiterhin neue
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