Zwei kunterbunte Freundinnen | Das Chaos wohnt nebenan
leiden.«
»Ich würde eher sagen, sie machen dir Todesangst«, stellte Märzbritt zufrieden fest. »Rambo! Ab in den Wohnwagen! Geh!«
Der gigantische Hund schüttelte sich, dass der Sabber nur so von seinen Lefzen spritzte. Dann knurrte er ganz tief in seinem Hals, drehte sich um und trottete zum Wohnwagen.
»Danke«, sagte Maibritt und klopfte ihre Kleider ab.
Der Garten war so zugewuchert, dass man kaum wusste, wo man langgehen sollte. Überall wuchsen Büsche und Obstbäume, die so verwildert waren, dass sich ihre Zweige ineinander verhakt hatten. Irgendwann hatte es hier bestimmt mal Gartenwege gegeben, aber jetzt war nicht mal mehr ein Trampelpfad zu entdecken. Märzbritt schnaufte ordentlich, als sie sich einen Weg durchs Unterholz bahnte. Ab und zu schnappten Zweige nach hinten und schlugen Maibritt ins Gesicht.
»Hier ist es«, sagte Märzbritt endlich und breitete die Arme aus.
Von unten sah das Baumhaus ganz anders aus als von Maibritts Zimmerfenster. Man konnte durch die Ritzen der Bodenbretter gucken. Die Strickleiter, von der Maibritt sich nicht vorstellen konnte, wie man sie erklimmen sollte, reichte vom Boden bis zu einer Luke in den Bodenbrettern. Zwei Sprossen fehlten, und die Stricke sahen ziemlich mürbe aus.
»Ich kann gern zuerst hochklettern«, bot Märzbritt an.
»Gute Idee.« Maibritt nickte eilig.
»Soll ich deinen Rucksack nehmen?«, fragte Märzbritt.
»Wieso?«
»Weil ich Hunger habe«, sagte Märzbritt. »Und ehrlich gesagt bin ich nicht ganz sicher, ob du es nach oben schaffst. Und in dem Fall wäre es einfacher, wenn ich dir was zu essen runterwerfe, als dass du mir was hochwirfst.«
Das stimmt, dachte Maibritt und überließ Märzbritt zögernd ihren Rucksack.
Der Mensch stammt ja vom Affen ab – oder zumindest von einem Wesen, dass dem Affen sehr ähnlich war. Märzbritt schien ein direkter Nachfolger so eines Menschenaffen zu sein. Wie ein Orang-Utan kletterte sie die Strickleiter hoch und war schneller oben bei der Luke angelangt, als Maibritt blinzeln konnte. Sie klappte sie mit einem Knall auf, kletterte auf die Plattform, kniete sich auf allen vieren über das Loch und schaute zu Maibritt runter.
»Und jetzt du!«, kommandierte sie.
Maibritt stellte prüfend einen Fuß auf die untere Sprosse. Dann legte sie beide Hände um eine der höheren Sprossen und hob den anderen Fuß vom Boden. Schwups!, machte es, und sie hing beinahe kopfüber in der Luft und kam nicht weiter.
Märzbritts Gesicht über ihr verzog sich zu einem breiten Grinsen. »Hast du nicht hingeguckt, wie ich es gemacht habe?«, sagte sie. »Du musst dich seitwärts hochhangeln, den einen Strick zwischen den Beinen. Sonst passiert genau das.« Sie lachte schallend.
Maibritt kam sich schon wieder wie ein Idiot vor, wie sie dort kopfüber an der Leiter hing. Sie traute sich nicht, loszulassen, kam aber auch nicht weiter nach oben. Aber am gemeinsten war, dass Märzbritt sie auslachte.
Maibritt wollte nach Hause.
»Victoria! Victoria, wo steckst du?«
»Oh nein«, sagte Märzbritt und schlug die Luke zu. »Sag nicht, dass ich hier bin!«
Die Stimme, die gerufen hatte, klang sehr nett. Hell und fröhlich und gar nicht sauer. Maibritt hing, wo sie hing, und schwang hin und her wie ein Uhrpendel.
»Victoria!«, rief die Stimme wieder, dieses Mal viel näher.
Maibritt schloss die Augen und ließ los. Sie plumpste auf den Boden, aber es tat nicht sonderlich weh.
Hinter einem alten Pflaumenbaum, dessen Äste bis auf den Boden hingen, trat eine Frau hervor. Sie war groß und hatte lange schwarze lockige Haare. Sie trug rosa Gummistiefel mit roten Blumen drauf und einen hellblauen Wollpullover. Als die Frau vor Maibritt in die Hocke ging, konnte Maibritt sehen, dass die Augen genau die gleiche Farbe hatten.
»Was machst du denn hier?«, sagte die Frau. »Ich heiße Anna. Und wie heißt du?«
»Maibritt«, murmelte Maibritt.
»Du hast nicht zufällig meine Tochter gesehen?«, fragte Anna. »Sie heißt Victoria und hat kurze blonde Haare. Und sie ist ungefähr so alt wie du.«
Maibritt antwortete nicht. Das neue Mädchen hatte zwar kurze blonde Haare und war ungefähr in ihrem Alter, hieß aber nicht Victoria.
»Soll ich dir was verraten?«, flüsterte Anna und beugte sich zu Maibritt runter.
Anna duftete unglaublich gut. Nach Rosen und Veilchen und Rosinenbrötchen. Maibritt atmete tief durch die Nase ein.
»Sie hat eine ziemlich komische Frisur«, sagte Anna.
Maibritt versuchte, ernst zu
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