Zwei Mädels. Ein Weg. Ein Zelt.
Gruppe bunt gekleideter und toll geschminkter junger Menschen mit Trommeln zieht langsam durch das Sträßchen und sorgt mit ihren stimmungsvollen Klängen für ein großartiges Ambiente. Dorfbewohner und Touristen ziehen der Gruppe hinterher. Alle wirken unglaublich ausgelassen, entspannt und glücklich. Als es wieder ruhiger wird, bittet uns Friedrun um einen Gefallen. Sie möchte wahnsinnig gern einfach nur ein einziges Mal unter freiem Himmel schlafen und ihr Gepäck in unserem Zelt sicher verwahrt wissen. Wir stimmen natürlich zu und vereinbaren einen Treffpunkt für den nächsten Tag. Wir sind gerade beim Aufbrechen gen Ortsausgang, als Friedrun sich erkundigt, ob sie eventuell noch andere campinghungrige Pilger mitbringen könne. Bereitwillig stimmen wir zu und malen uns aus, wie wir dicht gedrängt mit mindestens 20 weiteren miefenden und ungeduschten Pilgern in unserem Minizelt liegen und fröhlich vor uns hin schnarchen. Lachend schlendern wir in die abendliche Natur hinaus und freuen uns auf unser Date mit Friedrun am folgenden Tag vor der Kirche in Logroño.
05. Pilgertag
ETAPPENZIEL: PANTANO DE LA GRAJERA
Um unser Versprechen einhalten zu können, brechen wir am folgenden Morgen gegen 9:00 Uhr, nach einer weiteren Nacht in den Weinbergen, in das nur zehn Kilometer entfernte Logroño auf. Wir sind zwar erst 15:00 Uhr verabredet, aber weil wir uns kennen, halten wir es für angebracht langsam loszuwandern. Schließlich kann die Zeit beim fröhlichen Dahinschlendern, Ameisenstraßen anschauen und Weintraubenessen schneller vergehen als gedacht. Kurz vor Logroño legen wir eine Pause bei Doña Felisa ein. Die ältere Dame verteilt hier bereits in der zweiten Generation an alle Pilger einen Stempel und bietet Accessoires zum Kauf an. Conny entscheidet sich für eine Muschelkette, die sie an ihren Wanderstab bindet. Logroño erreichen wir gegen 11:00 Uhr und nehmen sogleich den Service, unseren Rucksack für zwei Stunden einlagern zu können, in Anspruch. Scheinbar unfähig, ohne unser Gegengewicht noch normal laufen zu können, stelzen wir los. Ohne meinen BH fühle ich mich jetzt noch nackter. Vorher gab mir wenigstens der Rucksack-Brustgurt ein Quäntchen Halt. Weil es ja Sonntag ist und wir uns keine Lebensmittel im Supermarkt kaufen können, steuern wir einen Burger King an, um halbwegs preisgünstig satt zu werden. Die Lokalität macht aber leider erst in einer Stunde auf. Um uns vom Hunger abzulenken, gehen wir Postkarten einkaufen und fragen uns zu einem Bankautomaten durch. Wir entschließen uns sogar noch unsere Rucksäcke abzuholen. Warum wir die überhaupt abgeben haben, fragen wir uns. Wir flitzen jetzt umher damit wir die Dinger rechtzeitig wiederbekommen und haben uns nicht einmal wohl gefühlt; so federleicht. Unser Fast Food haben wir uns nun aber verdient. Schade nur, dass Burger King diese Ansicht scheinbar nicht teilt, denn obwohl das Lokal jetzt längst geöffnet haben müsste und drinnen Licht brennt, ist die Tür noch fest verschlossen. Eine Spanierin, deren Mitleid wir mit unseren hungrigen Blicken wohl erweckt haben, teilt uns mit, dass es in der Nähe noch ein anderes Hamburgerrestaurant gibt, in das sie uns gern begleitet. Die will wohl ganz sicher gehen, dass wir nicht vom Fleische fallen. Dafür müssten wir aber noch bedeutend länger pilgern! Sie teilt uns mit, dass die Öffnungszeiten im Urlaubsmonat August durchaus mal nicht mit dem Schild an der Eingangstür übereinstimmen können.
Wir bedanken uns und warten dennoch hartnäckig vor dem Burger King. Nach einer Weile wird ein älterer Mann nach mehrmaligem Klopfen hereingelassen. Es handelt sich um den Chef, wie wir später mitbekommen. Wir sehen unsere Chance, huschen in das Restaurant und bestellen zwei „Long Chicken Burger“ und eine große Tüte Pommes. Gestärkt geht es zurück in die Innenstadt, die nichts Sehenswertes bietet. So lassen wir uns an der Kirche nieder und schreiben Postkarten. Eine Gruppe halbwüchsiger Jungen spielt mit einem kleinen Ball eine eigene Squash-Variante. Dass sie dazu die Kirchenwand benutzen, stört hier niemanden.
Bis auf die Tatsache, dass einer der Lausebengel mich mit dem Ball am Kopf erwischt, sind sie ganz nett und versuchen in unserer Gegenwart so cool wie möglich zu wirken. Zum Glück sind kleine Plastikbälle mit Disneyfiguren keine Gefahr für meinen Dickschädel! So bin ich völlig zurechnungsfähig, als um 15:00 Uhr Wolfgang, Alice und Friedrun vom Vorabend eintreffen.
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