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Zweilicht

Zweilicht

Titel: Zweilicht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Blazon Nina
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einfach es ist, dachte er verwundert. Dieses Licht brannte und blendete nicht. Und das Knacken war haarfein und scharf, fast beiläufig, es setzte sich fort, fand erst ein Echo, dann zwei, dann viele. Dann verging dieser Laut und alles, was blieb, war implodierende Stille. Und nichts erschien Jay richtiger. Etwas, das mit der Stille des Schlafs beginnt, muss ja in Stille enden. Wendigo fiel, während sein Herz brach, und sie fielen mit ihm. Der Boden löste sich von ihnen. Lautlos brachen die Wände, lautlos tat sich über ihnen der Himmel auf. Polarlicht färbte ihn feuergrün. Lautlos huschten Schemen und Gestalten an ihnen vorbei, wirbelten wie ein kalter Hauch und lösten sich auf. Das letzte blaue Licht verlosch wie eine Flamme.
    Und sie fielen.

hände im schnee
    j ay kam zu sich und sah nur wattiges Weiß, erhellt durch gedämpftes Licht. Im ersten Moment erschrak er so sehr, dass ihm siedend heiß wurde. Oh nein, ich bin in meinem Zimmer in Berlin! Die Sonne schien auf sein Bett und er hatte sich die dünne Decke über das Gesicht gezogen. Und alles andere war nicht wirklich . Aber dann bewegte er die rechte Hand und Schnee rutschte zwischen seine Finger. Unendliche Erleichterung durchflutete ihn. Er musste lachen, weil die Vorstellung, wieder in sein altes Leben zurückkehren zu müssen, ihm einen solchen panischen Schrecken versetzt hatte, während die Tatsache, dass Wendigo ihn verschlungen hatte und er nun vermutlich unter einer Lawine begraben lag – mitten in der Wildnis, im Jahr 2113, ihm fast schon normal erschien. Immerhin fiel Licht durch die helle Wölbung über ihm und Luft bekam er auch. Irgendwie würde er sich befreien. »Madison?« Seine Stimme war ein dumpfer Laut und der Name, der längst nicht mehr zu dem Mondmädchen gehörte, wie ein letztes Echo einer vergangenen Zeit. Eine Hand regte sich in seiner Linken. Sie hielten sich also immer noch fest. Das Mondmädchen schien auch erst gerade wieder zu sich zu kommen. Plötzlich schnappte sie erschrocken nach Luft, ihre Finger krallten sich in seine Hand und ließen dann los. Sie begann sich panisch gegen die erdrückende Enge zu wehren. Schnee kam ins Rutschen, die kühle Masse sackte schwer gegen seine Brust, und als er das Mädchen beruhigen wollte, war auch sein Mund plötzlich voller Schnee. Er warf den Kopf zur Seite und hustete. Als er wieder hochsah, blendete ihn Sonnenlicht. Ein Keuchen ertönte, jemand schaufelte den Schnee über ihm weg, und in dem weißen Schneerand erschienen ein frostigheller Morgenhimmel und ein dunkler Haarschopf. »Bist du okay?«, fragte Aidan, und Jay musste plötzlich lachen wie ein Verrückter, weil es in jedem Film genau diese Frage war, die dem Helden gestellt wurde – meist nachdem er Explosionen, Flugzeugabstürze oder Autocrashs überlebt hatte, nach denen man keinesfalls »okay« sein konnte. Jay tat jeder Knochen weh, und als Aidan ihm die Hand hinstreckte, fuhr ein reißender Schmerz durch jeden eiskalten, steifen Muskel. Aber erstaunlicherweise konnte er nach alldem stehen und die Schürfwunden brannten kaum, zu taub war seine Haut noch vom Eis. Neben ihm befreite die Gorillafrau das Mädchen aus seinem Gefängnis. Im Sonnenlicht sah Linda noch um einiges gefährlicher aus. Und im Gegensatz zu Aidan, der über das ganze Gesicht strahlte, funkelte sie Jay nur misstrauisch an und ging einfach davon. Das Mondmädchen blieb. Sie schüttelte den Schnee aus dem Haar und sie sahen sich ohne ein Wort an und tauschten ein zaghaftes Lächeln. Dann blickten sie sich staunend um. Die Meerenge, die früher East River geheißen hatte, war wieder mit Wasser gefüllt. Es gab noch Reste von Eis, aber auch die letzten Schollen brachen in der milderen Wintersonne. Schnee fiel in sachten Flocken und die Brücke gab es nicht mehr. Einer der beiden Pfeiler war umgekippt und lag nun wohl auf dem Grund. Nur ein Strudel und ein Stahlseil, das noch von der Brückenfestigung am Ufer mitten ins Wasser führte, deutete darauf hin, wo er liegen mochte. »Was für ’ne Party!«, sagte Aidan völlig fasziniert.
    Den zweiten Pfeiler hatte die Wucht von Wendigos Todeskampf in Richtung Ufer geworfen. Jetzt lag er wie ein Schiffbrüchiger, der mit letzter Kraft versucht hatte, an Land zu kriechen, halb im Wasser, halb am Ufer.
    Und vor ihm – Ivy! Vier Kojoten lagerten bei ihr, wärmten sie wie eine lebende Decke. Jay wäre vor Erleichterung am liebsten einfach in den Schnee gesackt. Die Affenfrau hatte das Mädchen direkt vor

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