Zweite Chance - zu dritt
rechtskräftig ist.“
Sie mussten nur kurz warten, dann führte die Assistentin sie zu einem langen Flur und wies auf eine Tür am hinteren Ende.
„Don ist sicher gleich bei Ihnen. Wenn Sie irgendwas brauchen, melden Sie sich bitte“, bemerkte sie fröhlich.
Jared nickte und hätte sie am liebsten gebeten, bei ihnen zu bleiben, bis der Anwalt eintraf. Er fürchtete sich vor Kates Schweigen. Heute hatte sie zum ersten Mal wieder mit ihm geredet, seit ihm vor Monaten das Wort „Scheidung“ über die Lippen gekommen war. Ein Muskel an seinem Kiefer zuckte. Vielleicht hatte sie vergessen, dass sie als Erste zum Anwalt gegangen war.
Nein, er wollte nicht ungerecht sein – schon gar nicht an einem Tag wie diesem. Sie hatte gerade ihre beste Freundin und ihr Patenkind verloren. Sie war am Boden zerstört. Was mochte ihr in diesen Stunden alles durch den Kopf gehen?
Sie hatte sich schon auf einen der beiden Stühle vor den riesigen Mahagoni-Schreibtisch gesetzt und studierte das gerahmte Anwalts-Diplom an der Wand. Jared betrachtete sie versonnen und bewunderte wieder einmal ihre blonden Locken, die das hübsche Gesicht umrahmten. Ihre Haltung war tadellos, sie wirkte jetzt kühl und gefasst.
Das überraschte ihn nicht. Kate hielt ihre Gefühle immer gut unter Verschluss und ließ sich Schwächen nie anmerken.
Zumindest bis heute. Denn vorhin war sie so einsam, verloren und den Tränen nahe von der Straße hereingekommen, dass es ihn mitten ins Herz getroffen hatte.
Er setzte sich neben sie und streckte die Hand nach ihr aus. „Alles okay?“
Kate nickte kurz, ohne die Hand zu nehmen oder ihn anzusehen. Vielleicht bemerkte sie die versöhnliche Geste auch gar nicht.
Er hatte es zumindest versucht. Mit einem heimlichen Seufzer zog Jared den Arm zurück. Niemand konnte behaupten, er hätte nichts unternommen, um seine Ehe zu retten und ihrer Beziehung noch eine Chance zu geben.
Was für eine Ironie des Schicksals: Durch Brady und Susan hatte er Kate damals kennengelernt. Und jetzt brachte der Tod der beiden sie nach fast dreimonatiger Trennung wieder zusammen.
Die Minuten zogen sich schier endlos hin. Der einzige Laut in der Stille war das Ticken der altmodischen Wanduhr. Kate hatte sich wieder in ihr eisernes Schweigen gehüllt, und Jared ließ die Gedanken schweifen.
Zuletzt waren sie vor drei Monaten zu Cassidys Taufe hier nach Boise gekommen. Sie hatten sich an dem Wochenende erbittert gestritten, und irgendwann war von Trennung und Scheidung die Rede gewesen. Als jedoch in der Woche darauf der Anruf von Kates Anwalt kam, war Jared aus allen Wolken gefallen. Seither lief jeder Kontakt zwischen ihnen nur noch über die Anwälte. Ihm kam das falsch und absurd vor, aber Kate ließ ihn nicht mehr an sich heran. An ein klärendes Gespräch war nicht zu denken.
Er fuhr sich durchs Haar. „Kate …“
„Dass ich meinen Ring nicht mehr trage, hat seine Gründe.“
Oje. Offenbar war die Situation zwischen ihnen so verfahren, dass jedes Wort, jede Geste missverstanden werden konnte. Der Anblick ihres ringlosen Fingers hatte ihn getroffen, aber er war fest entschlossen gewesen, die Sache schweigend zu übergehen. „Du schuldest mir keine Erklärungen.“
„Ich hatte Angst, ihn zu verlieren“, sagte Kate trotzdem, ohne ihn anzusehen. „Ich bin ein bisschen dünner geworden.“
Ja, mehr als „ein bisschen“, das hatte er gespürt, als er sie im Arm hielt. Sie fühlte sich furchtbar zart und zerbrechlich an, und er hatte das ihrer Trauer zugeschrieben. Aber vielleicht steckte doch mehr dahinter.
Kate ging nie anders als perfekt gestylt aus dem Haus: Haar, Make-up und Kleidung waren immer sorgfältig aufeinander abgestimmt. Sie nannte das ihre „Verpackung“, auch wenn Jared sie in Jogginghosen und T-Shirt, die Haare zu einem Pferdeschwanz gebunden, genauso schön fand.
Heute schien es allerdings, als hätte sie sich mit der Verpackung mehr Mühe geben müssen als sonst.
Es war nicht viel geblieben von Kate, der Powerfrau, Chefin eines der erfolgreichsten PR-Unternehmen der ganzen Nordwestküste. Sie wirkte müde, angespannt und erschöpft. Ihm fiel auf, dass ihr Gesicht schmal geworden war und das Designer-Kostüm sehr lose saß. Die Veränderungen erschreckten Jared, und ihm wurde klar, dass sie nicht allein auf den Tod der Freundin zurückzuführen waren. Ein Tag hätte nicht ausgereicht, um sie so abmagern zu lassen.
„Du musst zwischendurch auch mal etwas essen“, bemerkte er.
„Das tue
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