Zweite Chance - zu dritt
Seiten heraus.
Liebe Kate,
wenn Du das hier liest, bin ich tot, und dann ist es gut, dass ich beschlossen habe, alles für Dich aufzuschreiben. Brady hält mich für morbide, aber bevor Cassidy kam, habe ich mir nie groß Gedanken darüber gemacht, was passiert, wenn ich einmal nicht mehr da bin. Und jetzt denke ich auf einmal viel zu viel daran.
Kate musste lächeln. Typisch Susan. Sie dachte zu viel nach, genau wie sie selbst. Sie waren beide zu perfektionistisch. Allerdings hatten sie das immer lieber als „überlegtes Vorgehen“ bezeichnet.
Jetzt hat Don Phillips Dir und Jared gesagt, dass ihr Cas sidy zu euch nehmen sollt. Das überrascht euch ja nicht. Aber wahrscheinlich bist Du entsetzt darüber, dass Jared das Sorgerecht für Cassidy bekommen soll, wenn ihr euch scheiden lasst. Du bist jetzt sicher fassungslos und wütend auf mich.
Kate war nicht wütend. Verwirrt, ja. Vor allem verletzt, gestand sie sich ein. Ihr Blick wanderte kurz zu Jared hinüber, bevor sie weiterlas.
Dabei hoffe ich, dass ihr beiden im Falle unseres ver frühten Ablebens (schöner Ausdruck, nicht?) eure Prob leme gelöst habt und miteinander glücklich seid. Ihr seid füreinander bestimmt. Ich weiß es.
Ach, Susan. Sie war so eine Optimistin gewesen. Noch in ihren trostlosesten Jugendtagen war sie davon überzeugt gewesen, dass sich das Leben einfach immer zum Besseren entwickeln musste.
Und was ist daraus geworden?, fragte sich Kate bitter. Susans Leben war vorbei, durch einen furchtbaren, sinnlosen Unfall. Und ihr eigenes?
Sie hatte sich eine Familie mit Jared gewünscht, doch dann war immer etwas anderes dazwischengekommen. Sie waren beide vollauf mit ihren Berufen beschäftigt gewesen und hatten während ihrer Ehe nie viel Zeit miteinander verbracht. Und dann hatte Jared sie gedrängt, ein Kind zu bekommen, gerade, als sich in der von ihr gegründeten Firma die ersten Erfolge einstellten. Er verlangte von ihr, dass sie mit ihm nach Seattle zog und alles aufgab, woran ihr Herz hing. Als sie dazu nicht bereit gewesen war, war er allein gegangen.
Bei der Erinnerung daran kniff Kate unwillkürlich die Augen zusammen, um die Tränen zurückzuhalten. Es tat immer noch weh.
„Hier“, sagte Jared.
Sie schlug die Augen wieder auf und sah, dass er ihr ein Papiertaschentuch entgegenstreckte. Sie straffte die Schultern. „Ich brauche keins“, wehrte sie ab.
„Nur für alle Fälle.“
Als sie sein verhaltenes Lächeln wahrnahm, wurde ihr auf einmal wohlig warm ums Herz. Jared wollte ihr nur helfen, und sie musste endlich aufhören, ihn als Gegner zu betrachten.
„Danke“, flüsterte sie und griff nun nach dem Taschentuch.
Jareds braungrüne Augen schienen direkt in sie hineinzusehen.
Verzweifelt zwang Kate sich, ruhig zu atmen. Irgendwo in ihr schlummerten noch jede Menge Gefühle für diesen Mann. Sie gestand sich ein, dass sie sich körperlich zu ihm hingezogen fühlte, vielleicht sogar noch stärker als vor ihrer Trennung.
Aber eine Ehe konnte nicht allein aus körperlicher Anziehung bestehen. Diese Lektion hatte sie gelernt. Sie wandte den Blick ab.
„Bist du fertig?“, fragte Jared.
„Nein.“
„Ich habe meinen schon dreimal gelesen“, bemerkte er.
Kate biss sich auf die Lippen. Erwähnte Brady sie in seinem Brief? Hatte Brady bezweifelt, dass sie richtig für Cassidy sorgen konnte? Alle alten Unsicherheiten stiegen wieder in ihr hoch.
„Was stand denn drin?“, fragte sie.
Jared lächelte nachdenklich. „Typische Brady-Sachen, von denen es einem ein bisschen leichter wird.“
„Wie schön.“ Wenn ihr nur von ihrem Brief auch ein wenig leichter würde! Bis jetzt war jedoch das Gegenteil der Fall. „Ich muss weiterlesen.“
„Mach nur.“
Susan schrieb davon, wie stolz sie auf Kate war, wie sehr sie bewunderte, was die Freundin alles erreicht hatte. Und wie viel ihr ihre Freundschaft bedeutete. Beim Weiterlesen tanzten Kate die Zeilen vor den Augen, und sie merkte, dass ihr die Hände zitterten.
Du und ich, wir beide wissen, dass Familie nicht un bedingt Blutsverwandtschaft bedeuten muss. Darauf vertraue ich, weil Cassidy erleben soll, wie es ist, zu ei ner liebevollen Familie zu gehören. Jared mit all seinen verrückten, lästigen Verwandten kann ihr das bieten. Durch ihn kann sie bekommen, was wir beide früher nie hatten. Ich wünsche mir das für mein Kind.
Jetzt liefen Kate doch die Tränen übers Gesicht. Was Susan geschrieben hatte, tat weh, aber sie verstand sie. Und in gewisser
Weitere Kostenlose Bücher