Zweyer, Jan - Rainer
wieder hochgebracht hat. Nur ich.« Die Bitterkeit und Enttäuschung in Derwills Stimme spürte Brischinsky sogar jetzt noch. »Und dann kommt da dieser miese kleine Erpresser und droht mit Veröffentlichung seiner Entdeckungen, wie er es nannte. Zu dem Zeitpunkt, als wir endlich wieder auf dem richtigen Weg waren. Das Patent, das neue Antriebskonzept, das hätte viel Geld gebracht. Und dann kommt dieser Pawlitsch. Keine Bank hätte mehr finanziert, nicht eine. Das wäre der Ruin gewesen, da musste ich doch… Der Mistkerl wollte kein Geld, nein. Er wollte eine Entschuldigung. Eine öffentliche Entschuldigung. Und Entschädigungszahlungen für die Angehörigen. Sonst würde er alles der Presse übergeben. Hah! Veröffentlichung! Was haben wir damit zu tun, hä?« Derwill hörte sich nicht so an, als erwarte er eine Antwort.
Nach einer Pause fragte Esch: »Haben Sie sein Notizbuch?«
Derwill grummelte etwas Unverständliches. Plötzlich quietschten Bremsen.
»Warum fahren Sie ab?«, fragte Rainer nervös.
»Das fragen Sie?« Derwill klang gehetzt. »Der Golf hinter uns, er verfolgt uns schon seit Herne. Haben Sie etwa die Polizei…?«
»Nein, aber…« Der Motor des Audi heulte auf.
Dann kreischte Derwill hysterisch: »Warum verfolgt uns dann dieser Wagen immer noch? Können Sie mir das erklären?
Ich werde Sie…«
»Nehmen Sie die Pistole weg und halten Sie das Lenkrad fest«, bettelte der Anwalt.
»Das müssen Sie schon mir überlassen.« Die Stimme des Prokuristen überschlug sich.
Die Aufregung übertrug sich auf den Hauptkommissar. Er war sich sicher, dass Derwill kurz vor dem Zusammenbruch stand.
Ein dumpfes, schnelles Pochen war zu hören, das Brischinsky zunächst nicht einordnen konnte. Dann wurde ihm klar, was das Pochen verursachte. Eschs Herz! Er hörte das übermäßig laute Schlagen des Herzens. Der Anwalt hatte Todesangst.
Plötzlich brüllte Derwill: »Da! Polizei! Ich wusste es…« Das Motorengeräusch schien die Lautsprechermembranen zerfetzen zu wollen.
»Bremsen Sie, bitte bremsen Sie. Ich werde der Polizei nichts sagen, das verspreche ich. Bitte nehmen Sie die Pistole…
Neiiiin!«
Brischinsky war aufgesprungen und verfolgte, hastig an seiner Zigarette ziehend, den letzten Akt des Dramas. Das Tonband lief mit leisem Surren weiter. Auf dem Band waren heftiges Stöhnen und Flüche, Kampfgeräusche zu hören.
Polizeisirenen jaulten im Hintergrund. Metall und Reifen ächzten.
»Sie Schwein…« Das war Esch.
Plötzlich knallte es. Für einen Moment war es gespenstisch still.
»Scheiße…!«, rief Esch.
Und dann waren genau die Geräusche zu hören, die Brischinsky vor einer guten Stunde schon einmal wahrgenommen hatte. Diesmal allerdings lauter.
43
Nachdenklich setzte sich der Hauptkommissar wieder und spulte das Band zurück. Es sah so aus, als ob Derwill Pawlitsch auf dem Gewissen hatte. Der Prokurist hatte den Mord in dem Gespräch mit Esch zwar nicht ausdrücklich gestanden, einige seiner Bemerkungen legten jedoch den Schluss nahe, dass er der Täter war. Den Mord an den Störmers jedoch erwähnte Derwill nicht.
Brischinsky steckte sich eine Zigarette an und spielte die Aufnahme erneut ab, übersprang nun alle Passagen, auf denen kein Wortwechsel zu hören war.
»Haben Sie sein Notizbuch?«
Brischinsky fragte sich, was für ein Notizbuch Esch meinte.
Könnte es sein, dass Pawlitsch…?
Das Schrillen des Telefons riss ihn aus seinen Überlegungen.
Es war das Krankenhaus. Derwill hatte die Blutgruppe B
positiv. Der Hauptkommissar bedankte sich. Er griff zu dem Ordner mit den Ergebnissen der Spurensicherung. Die Blutreste an dem Glassplitter waren Blutgruppe A, nicht B
positiv. Sie stammten also nicht von Derwill. Das hieß natürlich nicht, dass Derwill als Täter nicht in Frage kam, sondern nur, dass er mit dem Glassplitter nicht in Kontakt getreten war. Dann müsste allerdings zur Tatzeit noch eine zweite Person… Lorsow? Als Inhaber der Firma dürfte er ein starkes Interesse daran haben, sein Unternehmen aus jeder öffentlichen Diskussion herauszuhalten. Aber warum hatte dann Derwill Lorsows Alibi demontiert?
Brischinsky griff zum Hörer und erkundigte sich bei seinen Kollegen, ob in dem verunglückten Audi, bei Derwill oder Esch ein Notizbuch gefunden worden war. Der Beamte am anderen Ende der Leitung meldete Fehlanzeige. »Stellt die Karre auf den Kopf. Und wenn ihr was findet, gebt mir sofort Nachricht.«
Der Hauptkommissar legte auf, ließ die
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