Zweyer, Jan - Rainer
Moment keine Rolle. Kommen wir auf Ihre Verabredung mit Esch zurück. Derwill und Schlüter waren also eingeweiht?«
»Ja.«
»Und Derwill sollte den Termin absagen? Warum?«
»Schlüter meinte, es sei besser, Zeit zu gewinnen. Esch hinzuhalten.«
»Zeit zu gewinnen? Wofür?«
»Bis die Kreditverträge meiner Bank unterschrieben sind.
Wir waren der Ansicht, dass jede negative Meldung über LoBauTech oder meinen Vater den erfolgreichen Abschluss unserer Geschäfte torpedieren könnte.«
»Aha. Sagen Sie, Herr Lorsow, hatte Derwill eigentlich Zugang zu Ihrem Büro?«
»Selbstverständlich.«
»Dann hätte er auch den Schlüssel für Ihren Wagen entwenden können?«
Lorsow bestätigte schweigend.
Brischinsky dachte einen Moment nach. Dann fragte er:
»Herr Lorsow, Herr Derwill besaß einen zehnprozentigen Anteil an der Firma und Sie haben die Mehrheit. Wie viel genau? Neunzig Prozent?«
»Nein, nicht so viel. Sechzig. Ich halte sechzig Prozent.«
»Und wem gehören die restlichen dreißig?«
»Meinem Anwalt, Herrn Schlüter. Warum?«
Brischinsky gab keine Antwort. »Ich möchte das Büro Ihres Prokuristen durchsuchen. Hätten Sie etwas dagegen?«
»Benötigen Sie dafür nicht einen Durchsuchungsbefehl?«, antwortete Lorsow, setzte aber nach einem Blick Brischinskys sofort hinzu: »Natürlich. Bitte kommen Sie.«
Auf dem Weg zu dem Büro raunte der Hauptkommissar seinem Assistenten zu: »Wir suchen das Notizbuch Pawlitschs!«
Baumann fragte nach: »Was?«
»Ein Notizbuch.«
»Was für ein Notizbuch?«
»Vergiss es. Los, komm!«
Sie hatten Derwills Büro erreicht. Lorsow öffnete und ließ die Beamten eintreten, die routiniert mit der Durchsuchung begannen.
»Kann ich gehen?«, erkundigte sich der LoBauTech-Chef.
»Nein«, ordnete Brischinsky an. »Setzten Sie sich und warten Sie.«
Lorsow gehorchte.
Nach einer Stunde hatten die Beamten ihre Durchsuchung beendet. Erfolglos.
»Sie halten sich bitte zu unserer Verfügung«, befahl der Hauptkommissar dem eingeschüchterten Firmenboss und verließ, gefolgt von Baumann, das Zimmer.
Brischinsky griff nach einer HB, schob sie sich zwischen die Lippen und zerkaute in Gedanken versunken den Filter.
»Wir sehen uns im Präsidium«, sagte er zu Baumann, nahm die Kippe aus dem Mund, stierte einen Moment erstaunt auf die unbrauchbare Zigarette und ließ sie dann zu Boden fallen.
44
»Die Spurensicherer haben angerufen. Derwill hat sich zweifelsfrei selbst um die Ecke gebracht. Selbstmord bei fast 200 Sachen. Und hier ist das Ergebnis der Abfrage beim BKA.« Baumann hielt den Computerausdruck hoch, als Brischinsky, zwei Schachteln Pizza in der einen Hand balancierend, mit der anderen die Bürotür schloss.
»Vier Jahreszeiten war aus. Ich hab dir Salami mitgebracht.«
»Ich mag keine Salami«, maulte sein Assistent.
»Dann schmeiß sie weg und fahr selbst noch mal«, erwiderte der Hauptkommissar lakonisch und ließ einen Pizzakarton auf Baumanns Schreibtisch rutschen. »Guten Appetit. Was steht da drin?« Er zeigte auf den Ausdruck, nahm Platz, klappte die Verpackung auseinander, zauberte eine nicht mehr ganz saubere Gabel und ein Messer aus seiner Schublade und begann zu essen.
»Jansen«, berichtete Baumann. »Er konnte sich nach seinem Freispruch nicht sehr lange seiner Freiheit erfreuen. Sechs Monate nach seiner Entlassung musste er sich erneut vor Gericht verantworten. Wieder wegen Totschlags, wieder eine tätliche Auseinandersetzung um die besten Plätze auf dem Straßenstrich. Diesmal aber vor dem Landgericht Bochum.
Das Verfahren endete mit einer Freiheitsstrafe von achtzehn Monaten.«
»Und was ist mit der Waffe?«
»Wurde bei der Schießerei in St. Pauli, wegen der Dunway verurteilt wurde, benutzt. Die Hamburger haben die Pistole aber nicht gefunden. Weder bei Dunway noch bei Jansen. Es gab Indizien, dass Jansen die Waffe beiseite geschafft hat, aber keine Beweise.«
»Wie kommt die Heckler & Koch von Hamburg nach Recklinghausen?«, sinnierte Brischinsky und schob sich ein großes Stück Pizza in den Mund. »Über Jansen vermutlich«, gab er sich selbst die Antwort.
»Der aber noch ein knappes Jahr absitzen muss«, ergänzte Baumann. »Wenn ihn nicht sein Anwalt wegen guter Führung vorher…«
Für einen Moment waren in Brischinskys offenem Mund halb zermahlene Pizzareste zu erkennen. In seinem Gehirn machte es ›klick‹. Dann schluckte der Hauptkommissar. »Baumann, du bist ein Genie!«
Er griff zum Telefon. Sein
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